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Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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schlimmer als die stinkenden Seeleute in Nantes’ Hafen waren die Bauern dieses Landstrichs. Nicht dass er bisher viel mit ihnen zu schaffen gehabt hatte, aber seit Pfarrer Jeunet nach diesem hinkenden Trottel hatte schicken lassen, sah er seine Vorurteile bestätigt. Der Mann weigerte sich, in der Studierstube Platz zu nehmen, und hielt seinen Stock fest, als wäre er mit ihm verwachsen. Der Gesichtsausdruck war zwar nicht einfältig, aber abweisend war er allemal.
    »Wenn mich Pfarrer Jeunet richtig unterrichtet hat«, setzte Julien erneut an und blieb bei der respektvollen Anrede, »wart Ihr beim Baron de Troyenne und habt ihn von Eurer Reise unterrichtet?«
    Der Bauer schaute zum Pfarrer, als hätte er nichts gesagt. Erst als dieser aufmunternd mit der Hand wedelte, nickte der Mann.
    Erstaunlich, dachte Julien, dass der Baron seine Bauern persönlich empfängt. Auch die Adeligen in diesem Landstrich scheinen eigen zu sein. Er wischte den Gedanken beiseite und setzte wieder an: »Und der Hauptmann, der vom Stallmeister als möglicher Täter benannt wurde, war während der Unterredung zugegen?«
    Der Bauer nickte erneut.
    »Meint Ihr, dass es eine gute Idee war, diese Unterredung in der Anwesenheit des Hauptmannes zu führen?«
    »Der Baron entscheidet, wen er bei sich haben möchte, und das macht er auch, wenn ich zu ihm vorgelassen werde«, antwortete der Mann, und Julien zuckte zusammen. Die Stimme des Bauern war ruhig, und die Worte waren mit Bedacht gewählt. Weit entfernt vom bretonischen Genuschel und einfachstemSatzbau anderer Bauern. »Sicher hätte er seinem Hauptmann nach unserem Gespräch ohnehin alles erzählt, denn dem Baron liegt viel daran, für unsere Sicherheit zu sorgen. Und dafür braucht er den Hauptmann.«
    »Man muss hinzufügen«, griff der Pfarrer in das Gespräch ein, »dass Mathis im letzten Herbst großen Mut bewiesen und das Leben des Barons gegen umherziehende Söldner verteidigt hat. Seitdem verhält sich der Baron ihm gegenüber … sagen wir es so: sehr wohlwollend.«
    Julien spürte, dass ihn das Gespräch verwirrte. Ein großherziger Baron, der einen seiner Bauern schätzte; ein steinalter Landpfarrer, der seine Berufung ernst nahm, und ein hinkender Bauer, der sich auszudrücken verstand. Die Bretonen waren und blieben ihm ein Rätsel, ja nahezu unberechenbar.
    »Vielleicht hält sich der Hauptmann nun zurück, da er weiß, dass man den Täter auf dem Schloss vermutet. Sollte er nichts damit zu tun haben, wird er gewissenhaft der Anordnung des Barons nachkommen, alle Männer im Schloss zu überprüfen. Er könnte mehr Wachen ausschicken oder etwas in der Art. Das könnte der Täter bemerken und ihn vielleicht abschrecken«, fuhr der Bauer mit dem lahmen Bein fort. Noch immer wollte er sich nicht setzen und schaute auf den Pfarrer und ihn herab.
    »Das erscheint mir sehr einfach gedacht«, antwortete Julien und sah, dass sich die Mundwinkel seines Gegenübers in die Tiefe neigten.
    »Andere Möglichkeiten haben wir nicht. Und verzeiht mir den Hinweis, aber die von der Kirche zugesagte Unterstützung ist bisher dürftig.«
    Die Röte stieg Julien in den Kopf. Dreist. Sie waren dreist, die Bretonen, und dieser hier schlug dem Fass den Boden aus. Er pumpte die Lungen voll Luft, doch bevor er zu einer Antwort ansetzen konnte, griff der Pfarrer erneut ein.
    »Mathis, halte an dich. Der Herr Magister sucht uns bereits das zweite Mal in dieser Angelegenheit auf.«
    »Bischof Gregor du Clergue«, Julien betonte jedes seiner Worte, »hat sehr wohl Anweisung gegeben, dass sich dieser Angelegenheit angenommen wird. Und das, obwohl – wenn ich es noch einmal hervorheben darf – die Diözese Nantes zu den größten des Landes gehört.« Wenn er ehrlich war, hatte Julien keine Ahnung, ob diese Aussage zutraf. Aber sie klang gut und führte weit weg von der Frage, wer sich der sogenannten Angelegenheit anzunehmen hatte.
    Der Bauer schien nicht sonderlich beeindruckt. Er verneigte sich vor dem Pfarrer und war wieder dazu übergegangen, seine Anwesenheit zu übersehen: »Pfarrer Jeunet, die Felder müssen für die Aussaat vorbereitet werden. Es ist viel Arbeit, die auf mich wartet.«
    »Bitte, bleibe noch einen Augenblick, lass uns gemeinsam überlegen, was wir zum Schutz aller unternehmen können.«
    »Ich bin ein einfacher Bauer, der sein Vieh im Kopf hat, den Rücken die meiste Zeit des Jahres über den Pflug gebeugt hält, dabei seinem Ochsen hinterherläuft, um Furchen durch den Boden zu

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