Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)
sogar mehrere Männer, die gemeinsam morden, versteht Ihr? Der Baron könnte sich in Gefahr befinden, jeder hier auf dem Schloss …« Die Klinge des Schwertes und der Arm des Hauptmannes, der um seinen Oberkörper lag, schnürten ihm die Luft ab.
Die Tür wurde geöffnet. Hastige Schritte, dann knallte der Knappe den Becher auf den Tisch, dass der Wein auf das Mühlebrett schwappte.
»Warte draußen, falls wir dich brauchen. Und du«, der Baron wies auf den Hauptmann, »lass ihn los. Es klingt, als könnte er recht haben. Aber dann bin nicht nur ich, sondern dann ist jeder, der im Schloss lebt, in Gefahr.« Amédé de Troyenne wirkte nun müde, fast kraftlos und schob den Becher über den Tisch. »Nimm einen Schluck.«
Mathis griff zu und trank gierig. Nachdem er den Becher abgesetzt hatte, fuhr er mit der Hand über seinen Hals und sah helles Blut an seinen Fingerspitzen.
Auch der Baron bemerkte, dass das Schwert seines Hauptmannes Spuren hinterlassen hatte. Er seufzte. »Nimm es ihmnicht übel, er ist ein wenig ungestüm, und jetzt berichte bitte noch einmal der Reihe nach.«
Der Wein wärmte Mathis, und mit der Wärme kehrten die Worte, eines nach dem anderen, zurück.
»Mit wem hast du in Port-Saint-Luc geredet?«, wandte der Hauptmann sich an ihn, seitwärts im Schatten einer Säule stehend.
»Verzeiht mir bitte«, Mathis sprach den Baron direkt an, »es waren kurze Gespräche mit verschiedenen Männern, einer von ihnen war älter mit dunklem Haar, der andere mittelgroß mit hellbraunem Schopf. Bei den anderen bin ich unsicher, aber eines war ihnen gemeinsam: Sie waren misstrauisch, und kaum dass ich wusste, dass eine Magd namens Soazig vermisst wird, gab ich mich als Verwandter aus. Niemand hat etwas Unrechtes getan.« In Gedanken schlug Mathis ein Kreuzzeichen. Heiliger Vater, verzeih meine Lügen, flehte er, und bitte hilf mir, den Stallmeister herauszuhalten. Soweit er sich erinnern konnte, trafen auf die Hälfte der Männer auf dem Gut die vagen Beschreibungen zu.
»Du bist ein einfacher Bauer mit großem Mut, und dumm bist du auch nicht. Das muss man dir lassen. Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, eine Verbindung nach Port-Saint-Luc herzustellen«, sagte der Baron. »Aber wir haben ein Problem: Auf Schloss Troyenne gibt es gut hundert Pferde, für die Reise haben wir weit mehr als die Hälfte von ihnen mitgenommen. Jeweils mit einem Reiter besetzt. Männer der Garde, Knechte und selbst der Geistliche und der Knappe waren mit uns unterwegs. Wie sollen wir ergründen, wer der Täter ist? Und was machen wir, wenn der Schmied sich irrt? Spuren im Schnee oder Matsch, wahrscheinlich sind sie längst verschwunden, und niemand kann das überprüfen.«
Mathis schluckte. Die Überlegungen des Barons klangendurchdacht. Im Gegensatz zu seinen eigenen, die wie die eines übereifrigen Jungen anmuteten, der meinte, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Er musste zugeben, die Hufspuren nicht sonderlich genau in Augenschein genommen zu haben. Was war, wenn Yanns vom Kummer überreiztes Gemüt Dinge wahrnahm, die es nicht gab? Oder Dinge entdeckte, die es wahrnehmen wollte, um die vermeintliche Nähe des verlorenen Sohnes zu spüren? Yann hatte Ähnliches über Blanche gesagt: dass sie seit Avels Verlust verwirrt wirkte. War überhaupt noch irgendwer aus dem Dorf verlässlich in seinem Urteil?
Auf dem Gesicht des Hauptmannes, der sich inzwischen an die Steinsäule gelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt hatte, zeigte sich ein zufriedenes Lächeln.
»Doch es ist meine Christenpflicht«, fuhr der Baron fort, »alle Sorgfalt walten zu lassen, wenn Ankou durch meine Dörfer eilt und sich den Wagen belädt, dass wir kaum hinterherkommen, auf dem Friedhof die Grabstellen auszuheben. Wir werden jeden einzelnen Mann im Schloss überprüfen.« Er nickte Hauptmann Bouchet zu. »Nun sage dem Knappen, er soll Pater Bertrand herholen. Wir wollen, bevor der Bauer uns verlässt, gemeinsam beten. Dafür beten, dass wir bald Klarheit erlangen und den Täter seiner gerechten Strafe zuführen können.«
Mathis blickte beklommen dem Hauptmann nach. Wenn es vor meinem Besuch auf Schloss Troyenne einen guten Grund gab, in den Wäldern Saint Mourelles auf der Hut zu sein, dachte er, gibt es für mich nun mindestens zwei. Einen Mörder und den Hauptmann.
Dieses Mal hob er die Hand und schlug das Kreuzzeichen.
Saint Mourelles
J ulien war sich sicher: Diese Bretonen würden ihn noch wahnsinnig machen. Denn noch
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