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Sehnsucht der Unschuldigen

Sehnsucht der Unschuldigen

Titel: Sehnsucht der Unschuldigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Händen zog Cy aus seinem Lederbeutel ein Jagdmesser hervor.
    »Daddy, vor unserem Haus sind lauter Polizisten, aber die Straßenblockaden haben sie abgebaut. Der Weg nach Arkansas ist frei.«
    »Du willst mich wohl loswerden, was?«
    »Aber nein, ich…«
    Austin bleckte die Zähne zu einem diabolischen Grinsen. Mit einer blitzschnellen Bewegung hielt er dem entsetzten Jungen das Messer unter die Nase. »Aber klar bin ich dir ungelegen! Du willst auf dem Weg der Sünde und Ausschweifung weitergehen, dich mit Niggern rumtreiben und diesem Tucker den rosa Arsch küssen…«
    »Nein, Vater! Ich… ich…« Cy starrte in panischer Angs t das Messer an. Eine unbedachte Bewegung, und er war tot. »Sie fahnden noch nach dir, und da dachte ich…«
    »Der Herr ist mein Hirte, Kerl. Der sorgt für mich.« Immer noch grinsend strich Austin mit dem Daumen über die Klinge, bis er zu bluten anfing. »Und er hat mir ein scharfes Schwert gegeben. So, jetzt erkläre ich dir, was du zu tun hast.« Er drückte seinem Sohn das Messer an die Kehle. »Hörst du mir auch zu?«
    Cy wagte nicht zu schlucken. Er antwortete mit einem unmerklichen Nicken.
    »Hörst du mir zu, Kerl?«
    »Jawohl, Vater.«
    Cy arbeitete wie ein Berserker, um seine Angst in Schweiß zu ertränken. Er leerte zig Schubkarren Humus in den Garten, er hob Löcher für die neuen Pflanzen aus, und er riß Unkraut aus der Erde, bis seine Hände mit Blasen übersät waren – doch die Angst saß tief in seinem Magen wie ein unverdaulicher Klumpen.
    Vom Mittagessen bekam er keinen Bissen hinunter. Gab er normalerweise die Hälfte davon bei seinem Vater ab, so verstaute er heute alle dick mit Schweinebraten belegten Sandwiches und den Zitronenkuchen im Beutel.
    Cy wischte sich den Schweiß aus der Stirn und versuchte, alle Gedanken an Gut und Böse zu verscheuchen. Jetzt ging es nur noch ums Überleben. Tag für freudlosen Tag mußte er hinter sich bringen, vier Jahre lang insgesamt, bis er achtzehn war. Der Abend rückte immer näher. Er mußte Tucker zu seinem Vater bringen, oder er schnitt ihm die Kehle durch. Erschöpft schleppte er sich zum Gartenschlauch und spritzte sich Gesicht und Hände ab.
    »Na, Feierabend, Junge?«
    Cy richtete vor Schreck den Strahl auf die eigenen Schuhe.
    Tucker grinste ihn freundlich an.
    »Delia hat mir schon gesagt, daß du heute ein bißchen schusselig bist. Dreh das Wasser lieber ab, ehe du mir noch ertrinkst.«
    »Jawohl, Sir.« Cy starrte benommen seine Finger an, die sich zögernd um den Hahn schlössen.
    »Mein Gott, ich werde ganz schläfrig, wenn ich dir zuschaue.
    Möchtest du eine Cola oder noch ein Stück Kuchen?«
    »Nein danke, Sir.« Cy wagte nicht, Tucker in die Augen zu sehen. Er kämpfte ein Schluchzen nieder. Vielleicht klappte es gar nicht, dachte er verzweifelt. Vielleicht setzte Tucker ihn nur irgendwo ab. Er biß die Zähne zusammen und humpelte zu seinem Fahrrad.
    »Was hast du denn mit deinem Bein gemacht?«
    Er muß Mitleid mit dir kriegen, Kerl. Sieh zu, daß er dich in seinem Luxusschlitten heimfahrt. Und führ ihn ja zu mir.
    »Ach, das ist nichts, Mr. Tucker. Ich bin wohl irgendwo reingetreten.« Cy schickte ein Stoßgebet zum Himmel, Tucker möge dem nicht viel Bedeutung beimessen und ihn heimschicken.
    »Komm mal mit ins Haus. Delia wird sich das ansehen.«
    »Nein, nein, Sir. Es ist nicht so schlimm. Ich fahre jetzt besser.«
    Tucker entging nicht, daß Tränen in Cys Augen schimmerten.
    Er bekam auf einmal ein schlechtes Gewissen. Der Junge war so schmächtig, und er hatte ihn den ganzen Tag schuften lassen.
    Andererseits lag seine eigene Jugend nicht allzu weit zurück. Er kannte das Ethos der Heranwachsenden noch gut: Sie waren zu stolz, sich etwas schenken zu lassen. Es sei denn, man überlistete sie mit einer kleinen Notlüge. »Weißt du was?« sagte Tucker unvermittelt. »Ich muß noch ein paar Sachen in der Stadt erledigen. Wir packen dein Rad in den Wagen, und du fährst mit mir mit.«
    »Soll ich denn wirklich?« murmelte Cy ohne aufzusehen.
    »Ich komme ja sowieso an eurem Haus vorbei. Los, hopp, laden wir dein Rad ein, ehe Delia was merkt und mir noch eine ellenlange Einkaufsliste in die Hand drückt.«
    »Jawohl, Sir.« Mit gesenktem Kopf schob Cy das Rad zum Oldsmobile. In seinem Kopf hämmerte es wie auf einem Amboß.
    »Weiß der Kuckuck, wozu sie so eine Riesenkiste braucht«, brummte Tucker und sperrte den Kofferraum auf. »Da gehen locker drei Leichen rein. Und schau dir nur an, was sie

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