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Sehnsucht der Unschuldigen

Sehnsucht der Unschuldigen

Titel: Sehnsucht der Unschuldigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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so mit sich rumkarrt.« Er schob drei paar Schuhe, einen für den nächsten Wohltätigkeitsmarkt bestimmten Karton alte Kleider und eine Winchester beiseite.
    Cys Blick fiel auf das Gewehr.
    »Das Ding fährt sie seit Monaten spazieren«, kommentierte Tucker und wuchtete das Rad in den Kofferraum. »Sie sagt, sie braucht es, falls einer sie vergewaltigen will, wenn sie mal eine Panne hat. Kannst du sie dir vorstellen, wie sie sich mit dem Gewehr auf dem Schoß auf den Kühler hockt und auf wildgewordene Vergewaltiger wartet? Ich ehrlich gesagt nicht.«
    Cy kletterte wortlos auf den Beifahrersitz. Tucker setzte sich neben ihn und griff als erstes ins Handschuhfach. »Darin verstaue ich meine Kassetten. Bist du mit ein paar Takten Elvis einverstanden?«
    »Elvis Presley ist nicht schlecht.« Cy verkrallte seine schweißnassen Finger ineinander.
    »Nicht schlecht, sagst du? Elvis ist der König, Mann!« Tucker schob eine Kassette in den Schlitz und ließ den Motor zu den ersten Takten von›Heartbreak Hotel‹aufheulen. »Sag mal, wie geht es eigentlich bei euch daheim?«
    »Daheim?«
    »Geht’s deiner Mama einigermaßen?«
    »Sie… kommt zurecht.«
    »Wenn ihr etwas braucht, ein bißchen Geld oder so, dann kannst du mich ruhig fragen. Sie muß ja nicht wissen, woher es kommt.«
    »Nein, nein, das ist nicht nötig.« Cy starrte krampfhaft zum Fenster hinaus. Er konnte Tucker einfach nicht ins Gesicht sehen. Der Mann war so freundlich, so besorgt. Cy erblickte Tobys Wagen am Ende von Miss Carolines Auffahrt. Wie konnte er mit seinem Freund Jim nach dem heutigen Abend je wieder herumalbern? Bald war er ja ein Mörder.
    »Willst du mir nicht sagen, was dich bedrückt, Cy?«
    Cy wandte sich nun doch zu Tucker um. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. »Nichts, Sir. Was soll schon sein?«
    »Ich bin zwar keine vierzehn mehr, aber so lange liegt das auch wieder noch nicht zurück. Ich weiß noch gut, was es heißt, einen Vater zu haben, dem die Hand gern ausrutscht.« Tucker musterte ihn mit einem so warmen und verständnisvollen Blick, daß Cy wieder wegsehen mußte. »Sag mal, Cy. Vorhin auf dem Weg zum Wagen hast du nicht mehr gehumpelt…«
    Der Klumpen schien den ganzen Magen auszufüllen. »Ich…
    ich glaube, mir geht es schon wieder besser.«
    »Wenn du nicht darüber sprechen willst…« meinte Tucker nach einer Weile achselzuckend.
    Sie fuhren nun an der Böschung des Little Hope entlang. Eine Meile noch, dann hatten sie den Durchlaß erreicht. »Ich… hab’ das Rad in dem Durchlaß dort hinten versteckt.«
    »Gut, dann setze ich dich dort ab.«
    »Könnten Sie mir vielleicht…«
beim Abladen helfen und das Rad für mich in den Durchlaß schieben, wo mein Daddy auf Sie wartet. Ich weiß doch, daß Sie mir helfen werden, weil Sie so nett sind.
    »Könnte ich was?«
    Sie waren fast da. Cy wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Was er im Magen spürte, war keine Angst mehr, es war lähmendes Entsetzen.
Ich brauche ihn bloß zu bitten, und er tut es.
Cy bemerkte ein Glitzern. War es das Fernglas, oder war es die scharfe Klinge?
    »Stop! Halten Sie an!« In panischer Angst packte er das Lenkrad. Der Wagen kam ins Schlingern.
    »Was zum Teufel ist in dich gefahren?« Tucker riß den Wagen gerade noch herum und trat auf die Bremse. Der Wagen stellte sich quer über die ganze Fahrbahn, aber er stand. »Wir wären fast im Bachbett gelandet!«
    »Fahren Sie zurück! Ich flehe Sie an, fahren Sie zurück! Er kommt sonst raus und bringt uns beide um!«
    »Ganz ruhig, Junge, ja?«
    Während der tote König des Rock’n Roll immer noch von der Liebe schmachtete, starrte Cy, von Weinkrämpfen geschüttelt, zum Fenster hinaus.
    »Er kommt mir nach und reißt mir die Augen aus. Das hat er immer wieder gesagt: Auge um Auge!« Plötzlich zuckte der Junge am ganzen Leib, sackte vornüber und übergab sich.
    Tucker zerrte ihn blitzschnell aus dem Wagen und tätschelte ihm den Kopf, bis kein Erbrochenes mehr kam. Dann wischte er ihm den Mund mit einem Taschentuch ab. »Versuch, langsam zu atmen. Geht es jetzt wieder?«
    Cy nickte und brach erneut in Tränen aus, kein hysterisches Schluchzen diesmal, sondern ein herzzerreißendes Weinen.
    »Wein dich nur aus, das tut dir gut, das muß wohl raus.« Und nachdem Cy sich etwas beruhigt hatte: »Wer will dir die Augen rausreißen, mein Junge?«
    Cy wandte ihm sein tränenverschmiertes Gesicht zu. »Mein Vater! Er hat mir gesagt, ich muß Sie zu ihm bringen. Er hat gesagt, er hat eine

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