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Sehnsucht der Unschuldigen

Sehnsucht der Unschuldigen

Titel: Sehnsucht der Unschuldigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Stadt hatte Caroline Spaß gemacht.
    Das Gespräch der Frauen hatte sich um die ewig gleichen Themen gedreht: Kinder, Kochrezepte, Männer, Sex. Egal, ob im Norden oder Süden, kaum waren Frauen untereinander, wurde Sex das Thema Nummer eins. Und hier unten nahmen sie sich dabei kein Blatt vor den Mund. Man war sofort im Bilde darüber, wer mit wem schlief.
    Muß an der Hitze liegen, dachte Caroline und setzte sich auf einen Baumstamm, um ins Wasser zu schauen und sich die Musik des Frühabends anzuhören.
    Sie war froh, daß sie trotz allem nach Innocence gekommen war. Jeden Tag fühlte sie sich ein Stück gesünder. Die Stille, die Sonne, die gnadenlos den letzten Rest Energie aus einem herausbrannte, die friedliche Idylle an diesem Teich im Schatten von mit Moos überwachsenen Bäumen. Sie gewöhnte sich allmählich sogar an die Geräusche der Nacht, die auf dem Land so schwarz war, daß man die Hand nicht vor den Augen sah.
    Letzte Nacht hatte sie zum ersten Mal seit Wochen acht Stunden durchgeschlafen. Und war ohne diese quälenden Kopfschmerzen aufgewacht. Das Alleinsein, die Heiterkeit der Kleinstadt und ihrer ländlichen Rituale verfehlten ihre Wirkung nicht.
    Ihre Wurzeln, die sie so lange nicht hatte spüren dürfen, deren Daseinsberechtigung ihre Mutter immer wütend abgestritten hatte, waren jetzt fest im Erdreich verankert. Nichts und niemand sollte sie herausreißen.
    Sie konnte sich sogar wieder einmal als Anglerin versuchen.
    Schon beim Gedanken daran brach Caroline in Lachen aus. Ob ihr Wels überhaupt noch schmecken würde? Sie hob einen Kieselstein auf und warf ihn ins Wasser. Beim Aufprall gab es ein so lustiges Geräusch, daß sie gleich den nächsten hinterherschickte. Es sah herrlich aus, wie sich immer größere Kreise um das Zentrum bildeten. Sie stand auf und suchte nach flachen Steinen. Warum sollte sie sie nicht über das Wasser schlittern lassen und zählen, wie oft sie hüpften? Auch das war ein fast vergessenes Bild aus ihrer Kindheit. Ihr Großvater hatte neben ihr gestanden und ihr erklärt, wie man den Arm am besten anwinkelte.
    Voller Freude über diese willkommene Erinnerung nahm sie einen besonders flachen Stein zwischen die Finger. Komisch nur, daß sie das Gefühl nicht los wurde, jemand beobachte sie.
    Ein kleiner Schauer lief ihr plötzlich über den Rücken, als sie etwas Weißes aus den Augenwinkeln registrierte. Sie sah genauer hin – und erstarrte. Ein Schrei blieb in ihrer Kehle stecken.
    Jema nd starrte sie an, doch die aufgerissenen Augen sahen nichts. Direkt an der dunklen Wasseroberfläche schaukelte ein Gesicht sanft auf und nieder. Verfilztes blondes Haar quoll hervor, das sich in der Wurzel eines alten Baums verfangen hatte.
    Caroline wich zurück. Ihr Atem kam stoßweise, begleitet von einem angsterfüllten Wimmern. Doch sie konnte den Blick nicht von diesem Gesicht wenden, über dessen Kinn die Wellen immer wieder hinwegschwappten und dessen leblose Augen von einem Sonnenstrahl beleuchtet wurden.
    Erst als sie die Hände vor die Augen schlug und so das Bild aussperrte, war sie imstande loszuschreien. Der Laut brach sich im Dickicht und hallte über das Wasser. Erschrocken flatterten die Vögel von ihren Ruheplätzen auf den Bäumen in die Luft.

4
    Obwohl sie sich mehrfach übergeben hatte, stieg immer noch schubweise saure Magenflüssigkeit in ihr hoch. Wenigstens gelang es Caroline aber wieder ruhig zu atmen. Burke Truesdale hatte sie erst gar nicht gebeten, ihn zum Teich zu begleiten. Ein Blick auf ihr kreidebleiches Gesicht hatte genügt. Obwohl sie nun auf der Veranda saß und ihr die Hände kaum noch zitterten, war es ihr ein Rätsel, wie sie den Weg vom Teich zum Haus allein bewältigt hatte.
    Caroline ballte die Fäuste und kämpfte den Mageninhalt mit aller Kraft zurück. Ihr war übel, schwindlig, und sie hatte Angst.
    Aber woher nahm sie sich das Recht dazu? War
sie
etwa tot? Sie war völlig unversehrt und in Sicherheit. Anders als diese arme Frau. Dennoch ließ sie den Kopf auf die Knie sinken und wagte nicht aufzusehen, solange ihr Magen sich nicht beruhigt hatte und es in ihren Ohren so dröhnte.
    Oh, wie sie diese Symptome haßte! Sie verabscheute sie mit einer Leidenschaft, die nur Leute nachvollziehen können, die selbst vor kurzem wegen einer langwierigen Krankheit hilflos zusehen mußten, wie andere über sie verfügten.
    Ein Knattern riß Caroline aus ihren Gedanken. Erschöpft hob sie nun doch den Kopf. Unter dem tiefhängenden Wein über

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