Sehnsucht der Unschuldigen
Caroline brach in Kichern aus. »Hey, Tucker, wußtest du, daß dein Dach offen ist?«
»Scheiße!« Er fuhr herum. Tatsächlich trommelte der Regen auf die Polstersitze. »Das ist eben das Dumme an den Frauen.
Sie lenken einen von allem ab.« Er beugte sich über ihre Hand und drückte die Lippen zu einem langen Kuß auf ihre Finger.
»Ich komme wieder, Caroline.«
»Aber dann bring bitte Fensterglas und einen Hammer mit«, sagte sie lächelnd.
Tucker glitt in den Wagen, warf ihr noch eine Kußha nd zu und fuhr los, ohne das Dach zuzukurbeln. Im Rückspiegel sah er noch, wie sie im Regen stand und ihm nachblickte. Ihr Haar erinnerte ihn an ein nasses Weizenfeld, und ihre Kleider schmiegten sich eng an ihre Rundungen. ›Ain’t it a Shame?‹ schmetterte Fats Domino aus dem Lautsprecher. Tucker fand auch, daß es ein einziger Jammer war.
Caroline ging erst zum Haus zurück, als der Wagen verschwunden war. Noch einmal setzte sie sich auf die Verandastufen, um den vom Regen verwässerten Wein auszutrinken. Susie hatte recht gehabt, dachte sie sich. Tucker war nicht mehr zu einem Mord fähig als sie selbst. Und er hatte wirklich etwas Besonderes an sich. Sie rieb die Hand, die er geküßt hatte, an ihrer Wange und stieß einen langen, zittrigen Seufzer aus.
Ein Glück nur, daß sie nichts von ihm wollte. Mit geschlossenen Augen reckte sie das Gesicht dem Regen entgegen. Ein wahres Glück!
Am nächsten Morgen wachte Caroline furchtbar schlecht gelaunt auf. Sie hatte kaum geschlafen, und dieser Tucker war ihr die ganze Zeit nicht aus dem Sinn gegangen. Im Morgengrauen hatte sie eine von Dr. Palamos Schlaftabletten eingenommen.
Aber sie hatte sich nicht rumkriegen lassen. Irgendwie war sie sich diesen Beweis schuldig gewesen. Doch was war die Folge davon? Sie wurde von höllischen Kopfschmerzen geplagt.
Beim Duschen wurde ihr dann sonnenklar, wem sie den Ärger zu verdanken hatte. Es lag an Tucker, daß sie soviel Wein getrunken hatte. Tucker war schuld, daß sie kaum ein Auge zugetan hatte und von sexuellem Verlangen geplagt worden war.
Und wäre Tucker nicht gewesen, müßte sie sich heute nicht um die Reparatur der Fensterfront kümmern. Was wußte sie, wie viele Moskitos und sonstiges unerwünschtes Getier bis dahin ungehindert in ihre Wohnung schwirrten.
Das also sollte die Ruhe und Beschaulichkeit auf dem Land sein – tote Frauen und übergeschnappte Männer mit Schießgewehren? Wütend stieg sie aus der Dusche und trocknete sich ab. Warum war sie nicht zum Sonnenbaden nach Südfrankreich geflogen? Sie gab sich die Antwort sogleich selber. Weil sie nach Hause hatte kommen wollen. Weil sie die Sonnenuntergangsstimmung auf ihrer Veranda hatte erleben wollen. Weil dieses Haus ihr Inbegriff von Heimat war, obwohl sie als Kind nur so wenige, doch dafür um so wertvollere Tage in ihm hatte verbringen dürfen. Nichts und niemand sollte ihr das kaputt machen.
Caroline reckte entschlossen das Kinn, zog den Morgenrock über, rauschte die Treppe hinunter und – stieß einen Schrei aus.
Ein bulliger Schwarzer mit Schultern wie ein Ringkämpfer stand vor eine m der zerborstenen Fenster. In seiner Hand glänzte etwas Metallenes. Caroline überlegte fieberhaft. Sollte sie zum Telefon stürzen? Sollte sie zum Wagen rennen und hoffen, daß der Schlüssel steckte? Oder sollte sie einfach schreien wie am Spieß?
»Miss Wave rly, Ma’am?«
»Ich habe den Sheriff alarmiert«, krächzte sie.
»Tuck hat mir schon gesagt, daß Sie Ärger hatten.«
»Ich… wie bitte?«
»Machen Sie sich keine Sorgen. Hatinger sitzt hinter Schloß und Riegel, und das andere krieg ich schnell hin.«
»Was kriegen Sie hin?«
Er machte eine Geste. Sie wollte loskreischen, doch dann erkannte sie, daß der metallisch glänzende Gegenstand nichts als ein Metermaß war. Er legte es an das kaputte Fenster an.
»Ach, Sie wollen die Fenster neu verglasen!«
»Richtig, Ma’am. Tuck hat mich gestern abend noch angerufen. Aber Ihnen hat er anscheinend nicht Bescheid gesagt.
Typisch für ihn.« Er schmunzelte.
»Nein, er hat es mit keinem Wort erwähnt.« Caroline wußte nicht so recht, ob sie verärgert oder erleichtert sein sollte.
Der Mann sah sie aus haselnußbraunen Augen freundlich an.
»Tja, da hab ich Ihnen wohl einen schönen Schrecken eingejagt.«
»Ach, das ist nicht so schlimm.« Sie brachte ein Lächeln zustande. »So langsam gewöhne ich mich hier an alles. Sie haben mir Ihren Namen noch nicht genannt.«
»Toby March. Ich
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