Sehnsucht der Unschuldigen
werden wollen.«
»Das glaube ich dir aufs Wort, daß du jede Menge Frauen verführt hast!« rief sie hitzig. »Edda Lou zum Beispiel.«
Tucker wich zurück. Der Ausdruck der Belustigung in seinen Augen wich Zorn, um sofort etwas anderem – war es Trauer? – Platz zu machen. Entsetzt legte Caroline eine Hand auf seinen Arm. »Tucker, das tut mir leid. Das war abscheulich von mir.«
Mit einem Schluck Bier spülte er einen Teil der Verbitterung hinunter, aber eben nur einen Teil. »Der Wahrheit kommt es ja nahe genug.«
Caroline schüttelte energisch den Kopf. »Du bist bei mir in ein Fettnäpfchen getreten, aber das entschuldigt noch lange nicht so eine gemeine Bemerkung. Bitte verzeih mir.«
»Vergiß es.« Seine Lippen kräuselten sich nach oben, doch Caroline sah, daß seine Augen nicht mitlächelten. Draußen hörten sie Burke etwas rufen. Klingt fast so, als könnten wir endlich essen. Geh du mit dem Glas schon mal voran. Ich komme gleich nach.«
»Gut.« Caroline blieb in der Tür noch einmal stehen. Wie gerne hätte sie noch etwas Versöhnliches gesagt, aber für eine Entschuldigung war es zu spät.
Als die Tür hinter ihr zufiel, lehnte Tucker den Kopf gegen den Kühlschrank. Er vermochte seine Empfindungen in diesem Moment selbst nicht zu erklären, ihm fehlten die Worte. Seine Gefühle kamen immer so schnell, auch die unangenehmen. Aber daß so viele widersprüchliche Emotionen auf einmal in ihm durcheinanderwirbelten, das war neu und mehr als nur ein bißchen unheimlich.
Edda Lou verfolgte ihn bis in seine Träume. Mit ihrem zerfetzten und vom Wasser aufgedunsenen Körper war sie ihm im Schlaf erschienen. Ihre mit Moos verfilzten Haare waren getrocknet und an ihrer Haut klebte verkrustetes schwarzes Blut.
Mit knochigen Fingern deutete sie auf ihn. Worte waren nicht mehr nötig. Er verstand auch so, was sie ihm sagen wollte. Du bist schuld! Sie war tot, und es war allein seine Schuld. Gott im Himmel! Was sollte er nur tun?
Josie trat leise in die Küche und legte einen Arm um ihn.
»Tucker, Honey, geht’s dir nicht gut?«
Beschissen, hätte er fast gesagt, doch er seufzte nur: »Nur ein bißchen Kopfweh. Zuviel Bier auf nüchternen Magen.«
»In der Handtasche habe ich Aspirin. Extrastark steht drauf.«
»Ach, nein. Wenn ich was esse, geht es bestimmt gleich weg.«
»Dann hol dir mal eine ordentliche Portion.« Josie legte den Arm um seine Hüfte und ging mit ihm auf die Terrasse hinaus.
»Dwayne ist schon wieder blau, und ich möchte nicht gleich zwei Männer heimschleppen müssen, zumal ich mich für später verabredet habe.«
»Wer ist denn der Glückliche?«
»Dieser Doktor vom FBI. Teddy Rubinstein heißt er. Zum Anbeißen süß, sag ich dir. Ich probier ihn für Crystal aus, hab ich mir gesagt. Sie wirft ihm die ganze Zeit schmachtende Blick rüber.«
»Du bist eben eine wahre Freundin, Josie.«
»Ich weiß. So, jetzt aber ran an die Spareribs!«
Hinter den Baumwollfeldern lag der hufeisenförmige Teich, dem Sweetwater seinen Namen verdankte. Süß, wie der Name verhieß, war das Wasser freilich schon lange nicht mehr. Seit Generationen hatte man den Boden mit Unkraut- und Insektenvertilgern bearbeitet. Die Gifte waren schließlich ins Grundwasser eingedrungen und von dort4n den Teich. Aber auch wenn sein Wasser nicht mehr genießbar war und man es sich doppelt überlegte, ob man einen Fisch daraus braten sollte, so bot er immer noch einen herrlichen Anblick, vor allem bei Vollmond wie in dieser Nacht.
Das Schilf wiegte sich träge in den sanften Wellen, und mittendrin ragten Baumstümpfe heraus wie alte, dunkle Knochen. Die Nacht war so klar, daß man sogar sehen konnte, wie sich das Wasser unter dem Flügelschlag der Mücken kräuselte.
Dwayne war vom Bier, das er auf der Party getrunken hatte, auf Wild Turkey, sein Lieblingsgetränk, umgestiegen. Die Flasche war allenfalls zu einem Viertel leer, doch er fühlte sich bereits sturzbetrunken. Am liebsten hätte er sich ja zu Hause bis zum Umkippen vollaufen lassen, wenn nicht Delia gewesen wäre. Und ihm standen Frauen, die an ihm herumnörgelten, bis oben.
Für den Exzeß heute hatte Sissys letzter Brief den Ausschlag gegeben. Jetzt wollte sie also ihren Schuhvertreter heiraten. An und für sich war es ihm ja egal. Sollte sie doch tun, was sie wollte. Er hatte sowieso nie etwas mit ihr am Hut gehabt. Die Ehe mit ihr war ein Betriebsunfall gewesen, nichts anderes.
Aber er sah ums Verrecken nicht ein, warum er noch mehr Geld
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