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Sehnsucht der Unschuldigen

Sehnsucht der Unschuldigen

Titel: Sehnsucht der Unschuldigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Stirn.
    Einen Moment lang standen sie nahe beieinander.
    Sie teilten weitaus mehr als das Gesicht ihrer Mutter und den Nachnamen. Die Bande zwischen ihnen waren weitaus mehr als Blut. Sie gingen von Herz zu Herz.
    »Es tut mir leid, daß sie dir so weh getan hat, Tuck.«
    »Mein Stolz hat ein paar Kratzer abbekommen. Sonst war nichts.« Er gab Josie einen sanften Kuß auf die Lippen.
    »Du bist viel zu nett zu den Frauen. Da verlieben sie sich bloß immer in dich, und du handelst dir Ärger ein. Wenn du nur ein bißchen gröber mit ihnen umspringen würdest, bliebe dir einiges erspart.«
    »Ich werde es beherzigen. Der nächsten Frau sage ich einfach, daß sie häßlich ist.«
    »Aber sage auf keinen Fall wieder Gedichte auf!«
    »Von wem hast du das?«
    »Carolanne hat mir erzählt, daß du Gedichte rezitiert hast, als ihr euch am Lake Village die Sterne angeschaut habt.«
    Tucker stemmte die Hände in die Hüften. »Daß ihr Frauen bei der Maniküre auch immer aus dem Nähkästchen plaudern müßt…«
    »Ihr Männer prahlt ja auch beim Bier mit eurem ach so langen Schwanz.«
    »Ich mache Frauen nie wieder Komplimente«, knurrte Tucker und rauschte ins Bad.
    Caroline war von Sweetwater so beeindruckt, daß sie mitten auf der Auffahrt stehenblieb und staunte. Das in der Nachmittagssonne perlweiß glänzende Haus war mit seiner anmutig geschwungenen Fassade, den filigranen Eisenverzierungen, den schlanken Säulen und den glitzernden Fenstern eine wahre Pracht. Überall blühten Blumen. Sie kletterten die Pergolas empor, überwucherten die mit Ziegeln eingefaßten Beete. Die Luft war durchdrungen vom Duft der Magnolien, Gardenien und Rosen. Auf dem Rasen vor dem Haus flatterte an einem weißen Mast eine an den Rändern etwas ausgefranste Flagge der Südstaaten.
    Im Hintergrund erblickte Caroline hübsche Steingebäude. Sie ahnte, daß einmal die Sklaven dort gewohnt hatten.
    Der weitläufige Rasen grenzte an schier unendliche, überaus fruchtbare Baumwollfelder. Inmitten eines dieser Felder sah sie einen vereinzelten Baum stehen, eine Zypresse, die man, sei es aus Faulheit, sei es aus Sentimentalität, nicht gefällt hatte.
    Caroline wußte nicht genau warum, aber dieser eine Baum ließ ihr die Tränen in die Augen schießen. Seine Beharrlichkeit, das Erhabene, das er verkörperte, berührten sie im tiefsten Winkel ihres Herzens. Gewiß war er schon im vergangenen Jahrhundert dagewesen und hatte den Aufstieg und Fall des Südens beobachtet, den Kampf um Unabhängigkeit und, letztendlich die Niederlage.
    Wie viele Aussaaten mochte er im Frühling erlebt haben und wie viele Ernten im Sommer?
    Ihr Blick wanderte zurück zum Haus. Es war ebenfalls ein Symbol für Fortbestand und Wandel, die erhabene Eleganz des ›Grand Old South‹, die im Norden so gern als Behäbigkeit mißverstanden wurde. Seit Generationen hatte es Menschen auf die Welt kommen, leben und sterben sehen. Und nichts brachte das ruhige Mississippidelta aus seinem Rhythmus. Der langsame Puls seiner Kultur und Tradition pochte unbeirrt fort. Der Beweis stand ja vor ihren Augen. Nicht anders verhielt es sich mit dem Haus ihrer Großeltern, ja eigentlich mit ganz Innocence. Caroline wunderte sich, daß ihr das erst jetzt bewußt wurde.
    Und als Tucker auf die Veranda trat, fragte sie sich, ob sie auch ihn erst jetzt richtig verstand. Sie legte mit ihrem Auto die letzten Meter zum Haus zurück und stieg vor einem Petunienbeet aus.
    »So wie du vorhin im Auto gesessen hast, dachte ich schon, du wolltest wieder zurückfahren.«
    »Im Gegenteil! Ich habe mich nur nicht sattsehen können.«
    Auch Tucker bekam die Augen nicht voll genug und wartete mit einer Antwort, bis sein Herzschlag sich normalisierte.
    Caroline trug ein hauchdünnes weißes Kleid, das sich bei einer Brise bestimmt herrlich aufbauschen würde. Zwei schmale Träger hielten es über den Schultern zusammen, ihre Arme waren nackt. Um den Hals hatte sie eine Kette mit glänzenden Steinchen gelegt. Das straff nach hinten gekämmte Haar ließ die Ohren frei. An ihnen baumelten zwei genau zur Kette passende Steinchen. Es gehörte zu den Geheimnissen einer Frau, wie sie ihr Gesicht verändert hatte. Ihre Augen wirkten tiefer und ihre Lippen dunkler.
    Als sie die Stufen zu ihm hinaufstieg, bemerkte Tucker einen zarten, verführerischen Hauch von Parfüm. Er ergriff mit der linken Hand ihre Rechte und drehte Caroline wie im Tanz langsam im Kreis. Sie lachte belustigt auf. Beim Anblick des tief

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