Sehnsucht erwacht auf Mallorca
nur möglich. Nicht einmal das näher kommende Auto hatte sie bemerkt.
Alejandro las das wachsende Unbehagen aus ihren Augen ab und konnte sich den Grund denken. Er wusste, dass er sie quälte, aber er musste ihr verständlich machen, was in der Vergangenheit geschehen war.
Ihr mangelndes Verständnis – oder war es ein Mangel an Erfahrung? – ließ sie so hart über Joanna und ihn urteilen. Was ihn anging, war es ihm egal, aber um Joannas willen wollte er, dass sie begriff …
„Wir beide wissen, was als Nächstes passiert wäre.“ Unerwartet ließ er sie los, trat ein paar Schritte zurück und schob die Hände in die Hosentaschen. „Wir hätten miteinander geschlafen …“
„Nein …“
„Doch, Brynne“, beharrte er leise. „Wir waren schon knapp davor.“
„Du bist widerlich!“
„Ich bin ehrlich. Zu mir selbst und zu anderen Menschen. Auch Joanna und ich waren aufrichtig zueinander. Wir haben uns nicht geliebt, aber wir mochten uns, und wir fühlten uns zueinander hingezogen. Es war dieselbe Anziehungskraft wie gestern zwischen uns …“
„Nein …“
„Was sagst du da?“, spottete er. „Behauptest du, du hättest gestern keine Lust verspürt? Dass du nicht in mich verliebt warst?“
Natürlich war sie nicht in ihn verliebt!
Er war abscheulich. Arrogant. Er verhöhnte sie. Und sie verachtete ihn dafür, dass er auf diese kühle und analytische Weise über den gestrigen Abend redete.
Solch eine Leidenschaft, die sie völlig um den Verstand brachte, hatte sie nie zuvor erlebt. Sie hatte immer noch Schwierigkeiten damit, dieses Gefühl zu akzeptieren, geschweige denn, es zu verstehen.
„Nun, bist du es?“, fuhr er unbarmherzig fort.
„Nein, natürlich nicht …“
„Natürlich nicht“, ahmte er sie spöttisch nach. „Aber du lässt zu, dass ich dich berühre, dich liebkose, dich küsse …“
„Hör auf!“, rief sie erregt aus. „Hör endlich auf.“ Bebend wandte sie sich ab.
„Ja, ich höre auf.“ Er seufzte tief. „Aber du bist eine Heuchlerin, Brynne Sullivan. Du irrst dich, wenn du glaubst, dass du nicht zu eben den Gefühlen fähig wärest, die Joanna und mich vor sieben Jahren zusammengebracht haben.“
Sie wusste, dass sie sich etwas vormachte. Sie war sich vollkommen bewusst, dass sie es gestern Abend nicht geschafft hätte, Nein zu sagen. Sie wollte mit ihm schlafen. Noch Stunden später hatte sie sich vor Sehnsucht nach ihm verzehrt.
Und dieselbe Sehnsucht quälte sie auch jetzt.
„Außerdem wirfst du mir immer wieder vor, dass ich Joanna mit der Schwangerschaft und mit Michael allein gelassen hätte“, fuhr er unterdessen fort. „Zu meiner Verteidigung kann ich sagen, dass es Joannas Entscheidung …“
„Du warst verheiratet …“
„Meine Ehe spielt dabei keine Rolle. Es war Joannas Entscheidung, mir nichts von dem Kind zu erzählen. Wenn irgendjemand einen Grund hat, sich zu ärgern, dann bin ich das, nicht du. Ich bin enttäuscht, dass ich Michael nicht früher kennengelernt habe, ja, aber ich nehme es Joanna nicht übel, dass sie sich so entschieden hat. Es war schließlich ihre Sache.“
Er hatte recht. Brynne wusste es. Aber es war so viel leichter gewesen, wütend auf ihn zu sein, den lebendigen, atmenden, arroganten Alejandro, als auf Joanna, ihre lebhafte, unabhängige, tödlich verunglückte Schwägerin.
„Ich habe nicht vor, noch einmal mit dir über dieses Thema zu reden“, erklärte er jetzt mit rauer Stimme. „Die Vergangenheit ist vorbei. Joanna ist tot. Also sind alle weiteren Diskussionen über diesen Punkt sinnlos. Halte von mir, was du willst – ich bin mir sicher, dass andere schon weit Schlimmeres von mir dachten“, fügte er trocken hinzu. „Aber denk nicht schlecht von Joanna.“ Er war jetzt ganz ruhig. „Sie war so bewundernswert selbstständig, eine Frau, die sich ihrer Stärken sehr bewusst war, und so will ich sie in Erinnerung behalten.“
Joanna war später noch genauso unabhängig gewesen, als Brynne sie kennengelernt und Tom sich in sie verliebt hatte. Alejandro sprach so zärtlich von ihr. Brynne hatte das Gefühl, dass er damals mit Joanna seine Gefühle nicht so strikt verborgen hatte, wie er es heute tat.
„Und jetzt ist da nur noch Michael“, fuhr er energisch fort. „Er ist alles, was zählt.“
„Da stimme ich dir zu“, erklärte sie leise.
„Ach ja?“ Dieses Mal klang er belustigt.
Sie hob den Kopf, um ihn anzuschauen und sah den amüsierten Schimmer in seinen Augen. „Ja“,
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