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Sehnsucht FC Bayern

Sehnsucht FC Bayern

Titel: Sehnsucht FC Bayern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Radtke
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Den fanden wir dann auch praktischerweise direkt vor unserem Block. Routiniert, als ob er so etwas in seinem Rotkreuz-Container bei jedem Heimspiel machen würde, brachte er das Blut zum Stillstand. Was ich auf dem kurzen Weg zum Sanitäter und anschließend zum Auto jedoch an spöttischen und gehässigen Kommentaren, insbesondere von älteren Schalker Herrschaften, zu hören bekam, war einfach nur widerwärtig und klebt in meinem Gedächtnis wie damals das Blut in meinem Gesicht. Diese asozial grinsenden Fratzen, in die ich in diesen Minuten geblickt habe, waren im Nachhinein schlimmer als die Wunde. Zu Schalker Fans pflege ich seitdem ein ausgesprochen kritisches Verhältnis, auch wenn ich die Jahre später viele wirklich nette von ihnen kennengelernt habe.
    Mit der Erstversorgung im Parkstadion war die Sache jedoch nicht ausgestanden. Die Platzwunde musste abends in einem Bergisch Gladbacher Krankenhaus genäht werden. Ich wundere mich noch heute, wie cool mich meine Mutter abends in die Ambulanz fuhr. Kein Wort des Vorwurfs, kein Kopfschütteln. Geradewegs so, als ob ein solcher Vorfall nach 46 Bayern-Spielen zwangsläufig einfach mal passieren musste. Den Rest des Abends lag ich flach, aß kaum was, erbrach mich trotzdem und schlief alle paar Minuten mit Brummschädel ein. Das ging auch den ganzen Sonntag noch so. Ich war nicht imstande aufzustehen. Ich bekam es allmählich etwas mit der Angst zu tun und war froh, als ich am Montag zur stationären Untersuchung und Beobachtung ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Diagnose: Gehirnerschütterung. Ich blieb vier Tage. Anderthalb Wochen zu Hause schlossen sich an. Dann war die Sache vorbei. Zumindest körperlich.
    Juristisch gab es hingegen ein Nachspiel. Auf Anraten stellte ich Anzeige gegen Unbekannt. Überraschenderweise erhielt ich bereits wenige Tage später einen Anruf. Die Bergisch Gladbacher Polizei bat mich zum Ermittlungsdienst und bot mir an, mich hierfür auch zu Hause abzuholen. Die Polizei, dein Freund und Helfer. Und jetzt auch noch dein Shuttle-Service? Das war mir nun aber doch zu viel der Bürgernähe. Was für ein unsensibles Angebot! Im Geiste sah ich schon die halbe Nachbarschaft in unserer Reihenhaus-Siedlung hinter den Fenstern beobachten, wie ich von einem Streifenwagen zu Hause abgeholt würde. An dieser spießigen Haltung mag man erkennen, wie oft es meine Familie bis dahin mit der Polizei zu tun hatte. Bis auf die Sache mit der Bahnpolizei in Mannheim nämlich gar nicht. Und so schwang ich mich lieber aufs Rad, fuhr zu örtlichen Polizeiwache und bestieg erst dort den Streifenwagen.
    Beim kriminalpolizeilichen Ermittlungsdienst hatte man schon alles vorbereitet. Die Kollegen des Präsidiums aus Gelsenkirchen hatten eine Videoaufzeichnung aus dem Stadion gesandt, die einen Mann zeigten, auf den meine Beschreibung passte. Offenbar war ihnen der Typ nicht unbekannt. Im Videoraum war ich selber überrascht, wie genau meine Angaben waren. Es gab keinen Zweifel, das war das Arschloch! Leider gab es keine Aufzeichnung vom Tathergang. Damit war die Sache für mich endgültig ausgestanden. Ein halbes Jahr später bekam ich den Hinweis, dass der Vorgang bei der Staatsanwaltschaft Essen bearbeitet würde. Seitdem habe ich nie mehr etwas davon gehört.
    Im Februar 1988 unternahm ich einen weiteren Anlauf in Bezug auf FCB-Nebenabteilungen. Die Basketball-Herren des FC Bayern hatten sich zwischenzeitlich für die 1. Bundesliga qualifiziert und gastierten bei Bayer Leverkusen. Das konnte ich mir nicht entgehen lassen. Zehn Bayern-Spiele pro Saison befriedigten mich nicht mehr. Zwar hatte ich mittlerweile den Führerschein, aber mangels Auto ging es mal wieder mit dem Zug nach Leverkusen. Dort setzte es zwar eine klare Niederlage, aber ich war äußerst zufrieden, meine Fan-»Karriere« um eine weitere Nuance erweitert zu haben. Das Erlebnis, Bayern München erstmals nicht im Fußball erlebt zu haben, faszinierte mich derart, dass ich die Basketball-Abteilung anschließend per Brief um ein Trikot bat. Was ich nie für möglich gehalten hätte, trat tatsächlich ein. Der Abteilungsleiter sandte mir kostenlos ein solches Trikot mit der gefühlten Größe XXXXL. Wenn ich es anzog, schlabberte es nicht nur an mir herum, ich ersoff geradezu darin. Bist heute bewahre ich es sorgsam auf.
    Diese Zufriedenheit hielt jedoch nicht lange an. Und zwar wieder einmal aus schulischen Gründen. Meine Vornoten machten eine Zulassung zur Abiturprüfung schlichtweg

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