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Sehnsucht FC Bayern

Sehnsucht FC Bayern

Titel: Sehnsucht FC Bayern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Radtke
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ihre beiden jüngsten Erfolge (Champions League 1997 und Meisterschaft 1996) ausgerechnet in unserem Olympiastadion feierten, behagte mir gar nicht. Es sollte wohl so sein. Das herrliche Stadion bot offenbar auch für andere Teams den passenden Rahmen.
    Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012

1997/98
    N ACKT IN L EIPZIG
    Der Groundhopping-Virus hatte mich endgültig befallen. Wenn man anfängt, die Terminauflistungen der Vorbereitungsspiele seines Vereins im kicker zu studieren, und gedanklich bereits Listen abarbeitet, in welchen Bundesligastadien man den Verein noch nicht hat spielen sehen und nun endlich spielen sehen will – dann ist es so weit. Der Infekt ist ausgebrochen. So auch bei mir: Ab sofort wollte ich die Profimannschaft des FC Bayern nicht nur möglichst oft, sondern auch in möglichst vielen Stadien spielen sehen.
    Die Ausflüge nach Nottingham und Barcelona hatten Lust auf mehr gemacht, ebenso wie die Spiele in den Fußballprovinzen Lingen und Fulda. Ich mag solche Kontraste. Auch warteten weitere geschichtsträchtige Stadien mit reichlich DDR-Patina darauf, entdeckt zu werden. Die Fahrt zum Freundschaftsspiel nach Magdeburg blieb mir im Gedächtnis, weil wir uns zu fünft und allesamt übergewichtig in einen Audi 80 zwängten. Hatte ich das mit 29 Jahren eigentlich noch nötig? Es klingt komisch, aber gelegentlich falle ich gerne in die Anfänge meiner Auswärtsfahrten zurück und genieße dann Wochen später die Annehmlichkeiten einer Flugreise in der Champions League. Es fehlte eigentlich nur noch der Schal aus dem Autofenster. Aber Groundhopper sind ja cool. Dafür hatte einer der Mitreisenden ein dauerhaftes Problem mit seinem Darm und jagte unablässig einen Magenwind nach dem anderen durch das Wageninnere. Die Sau!
    Ich hatte mich ja bereits darüber ausgelassen, warum ich niemals ein Bayern-Spiel vorzeitig verlasse. Frevelhafterweise tat ich jetzt genau das, und zwar schon zur Halbzeit. Die Begleitumstände sind mir heute noch peinlich. Aber mit dem Abstand einiger Jahre fällt es mir einigermaßen leicht, ohne Schamesröte davon zu berichten. Es kennen mich ja ohnehin nur die wenigsten Leser persönlich. Zum Freundschaftsspiel gegen Sachsen Leipzig fuhr ich, aus Erfahrung klug geworden, diesmal nicht in großer Gruppe, sondern nur mit Sabine, einer guten Freundin aus dem Fanclub. Wir waren die beiden Einzigen, die sich an einem Freitag den knapp 1.000-Kilometer-Trip antun wollten. Der Alfred-Kunze-Sportpark von Sachsen Leipzig liegt im Stadtteil Leutzsch, was die dortige grün-weiße Fangemeinde mit dem wenig mehrdeutigen Spruch »Nur ein Leutzscher ist ein Deutscher« plump untermauerte. Pünktlich mit dem Anpfiff begann es zu regnen. Und wenn ich hier sage, dass es ein intensives Spiel war, dann bezieht sich das ausschließlich auf das intensive Nässegefühl, als bereits Regenjacke und T-Shirt wie eine zweite Haut am Körper klebten. Es war eklig. Tapfer hielten wir bis zur Pause aus und beschlossen dann die vorzeitige Heimreise. Auf dem Weg zum Auto bewirkten die nasse Jeans und das Regenwasser in den Turnschuhen nicht nur einen merkwürdigen Gang, sondern auch eine quietschige Geräuschkulisse dazu. Es war klar, dass wir uns so nicht ins Auto setzen konnten. Was tun?
    Es bedurfte nicht vieler Worte. Wir schauten uns um, erblickten im fast menschenleeren Stadtteil Leutzsch keine Passanten und zogen uns auf der Straße so weit aus, bis ich nur noch in Unterhose und Sabine in Slip und T-Shirt beieinander standen. Ein groteskes Bild. Sabine war und ist Krankenschwester. Ich tröstete mich damit, dass sie beruflich wahrscheinlich schon ungezählte nackte Männerkörper in Augenschein genommen hatte. Ihrem routinierten Blick nach zu urteilen, hatte ich wohl Recht.
    Das Auto stand an einer Häuserwand. Ein Küchenfenster öffnete sich, und ein Vietnamese bot mir eine Jeans zum Kauf an. Ich lehnte ab. Was für eine unwirkliche Szene. Sabine hatte noch drei trockene Textilien im Auto. Ein T-Shirt für »obenrum«, eine zweite Regen jacke, die sie sich um die Hüften band, sowie eine alte Wolldecke aus dem Kofferraum. Wir setzen uns in ihr Fahrzeug und breiteten die Wolldecke über unsere Oberschenkel aus. So kam ich endlich dazu, mich auf dem Beifahrersitz meiner triefenden Unterhose zu entledigen. Ein letzter Rest von Schamgefühl bewahrte mich vor dem finalen Strip auf der Straße.
    Wie ein altes Ehepaar hatten wir über die Frontsitze hinweg die Wolldecke

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