Sehnsucht FC Bayern
Empfang der Adam Opel AG rund um das Spiel im Ruhrstadion am nächsten Tag. Der Hauptsponsor des Vereins hatte drei Dutzend lokaler Führungskräfte und verdiente Mitarbeiter eingeladen und brachte sie mit Fußballprominenz wie Reinhard Saftig, Reinhold Wosab und Franz Brungs zusammen. Mein persönliches Aha-Erlebnis hatte ich jedoch beim Anblick des ebenfalls eingeladenen Bernd Trautmann. Ich kannte seine Lebensgeschichte. Ich habe mir nie etwas aus Autogrammen gemacht. Heute wollte ich eines. Und zwar von ihm. Warum ich ihn bewundere, sprengt hier den Rahmen und kann im Internet (z. B. wikipedia.de ) exzellent nachgelesen werden. Wenn Reinhard Saftig, der langjährige Co-Trainer des FC Bayern, bei seiner Begrüßungsrede von ihm als »living legend« sprach, dann hat er nicht übertrieben. Nach all diesen Eindrücken der letzten Tage schwebte ich förmlich abends wieder zurück nach Hause. Das war eine völlig neue Welt. Und ich wollte mehr davon.
Zwei Wochen später ging es nach Karlsruhe. Ich verband das Auswärtsspiel im Wildparkstadion am Samstag mit dem sonntäglichen Besuch der Frankfurter Buchmesse. Ich hatte zuvor am Buch »Die Bayern – vom Klub zum Konzern«, der ersten vereinsunabhängigen Biografie über den FCB, mitgearbeitet (siehe Anhang in diesem Buch) und traf mich mit dem Autor auf jener Messe, bei der zehn Jahre später auch die Entscheidung für das hier vorliegende, kleine Werk fiel. Dieses Spiel beim KSC bedeutete aber auch in anderer Hinsicht eine Zäsur, denn an dem Tag begann mein zweites Studium, parallel zu meinem Job bei einer Versicherung. Ich schwänzte gleich am ersten Vorlesungstag die letzten drei Stunden, um pünktlich zum Anpfiff in Karlsruhe zu sein.
Nach einer Pause von vier Jahren hatte ich mich entschlossen, nun auch noch ein Studium zum Betriebswirt dranzuhängen. Anders als beim Fachwirt, bei dem ich mich bewusst für die Vorlesungen werktags entschieden hatte, um samstags keine Bayern-Spiele zu verpassen, blieb mir nun keine Wahl. Die Vorlesungen fanden für einen Zeitraum von zwei Jahren ausnahmslos samstagvormittags statt. Was das bedeutete war klar: Heimspiele nur noch in den Semesterferien und Auswärtsspiele maximal bis nach Dortmund. Zumindest galt dies für die Bundesliga am Samstag. Mir ist die Entscheidung zur Aufnahme des Studium auch aus diesen Gründen wirklich nicht leicht gefallen.
Beruflich ergab sich parallel insofern eine Veränderung, als mein Verantwortungsbereich nun die Betreuung einer unserer Niederlassungen von Köln aus umfasste. Meine Vorgesetzten hielten dies für eine gute Idee und amüsierten sich bei dem Gedanken, ausgerechnet mir die bayerische Niederlassung zuzuweisen. »Und für Herrn Radtke haben wir die Niederlassung in München vorgesehen. Der Grund dürfte allen von uns bekannt sein.« Na toll! Großes Gelächter bei allen Kollegen in der Abteilungsbesprechung. Ist der Ruf erst ruiniert …
Ich machte das Beste daraus und schwatzte meinem Chef einige Zeit später eine zweitägige Kennlern-Dienstreise nach München ab. Mit seinem blöden Gag hatte er sich die Sache schließlich selbst eingebrockt. Insgeheim war ich ihm ja dankbar. Meinen Reisezeitpunkt wählte ich mit Bedacht. So flog ich Mittwochnachmittag nach München, schaute mir abends das Heimspiel gegen Paris St. Germain (5:1) in der Champions League an, verbrachte zwei Tage bei den Münchner Kollegen und schob am Freitag noch das Zweitliga-Spiel Unterhaching gegen Jena dazwischen, bevor ich mir am Samstag noch das Bundesliga-Heimspiel der Bayern gegen Bremen (2:0) ansah. Das war perfekt.
Ein befreundeter Bayern-Fan aus München fuhr mich am Samstag umgehend nach Schlusspfiff zum Flughafen. Sat.1 besaß zu diesem Zeitpunkt die Senderechte an der Bundesliga und übertrug in der Sendung »ran« das Bayern-Spiel fast immer zum Schluss. Was sonst nervig war, kam mir jetzt gelegen. Pünktlich mit Beginn des Berichtes über das soeben live gesehene Bayern-Heimspiel betrat ich wieder die eigene Wohnung in Bergisch Gladbach. Ich erlebte Jetlag auf kleinem Niveau. Mein Körper war bereits wieder im Rheinland, aber im Ohr hatte ich noch die Geräuschkulisse des Olympiastadions. Mit den Schuhen, mit denen ich 120 Minuten zuvor noch in der Südkurve gestanden hatte, saß ich jetzt im Wohnzimmer vor dem Fernseher und schaute mir das an, was ich soeben 450 Kilometer Luftlinie entfernt erlebt hatte. Das war nicht mehr normal.
Meinen Ruf als Bayern-Fan innerhalb der Firma hatte ich ja nun
Weitere Kostenlose Bücher