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Sehnsucht FC Bayern

Sehnsucht FC Bayern

Titel: Sehnsucht FC Bayern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Radtke
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Freundschaftsspielen. Da wird nicht gefragt, ob sich eine bestimmte Städtereise lohnt oder nicht. Das Spiel findet dort statt und fertig. Nun sieh gefälligst zu, wie du da hinkommst. Letztlich ist es eine merkwürdige Sache. Man liefert sich freiwillig einer Situation aus, auf die man im Hinblick auf Ort, Zeitpunkt, Wetter und mancherlei sonstige Begleitumstände keinen Einfluss hat. Nachher ist man doch meist froh, es einfach getan zu haben. Die Begegnungen und Entdeckungen abseits der üblichen Orte und Wege möchte ich heute nicht mehr missen. Da solche Spiele in der Provinz oft ziemlich spontan angesetzt werden, ist schon der Eintrittskarten-Vorverkauf eine logistische Herausforderung. Dass in diesem Fall beide Spiele innerhalb von nur 24 Stunden stattfanden, verlieh der Kilometerfresserei auf der Autobahn einen zusätzlichen Reiz.
    Zwei Auswärtsniederlagen in Leverkusen (2:5) und Bielefeld (0:2) schienen Mitte März nach einer Vorentscheidung zugunsten Borussia Dortmunds auszusehen. Binnen drei Tagen wurde aus einem Drei-Punke-Vorsprung ein Drei-Punkte-Rückstand. Entsprechend angefressen verließ ich das Leverkusener Stadion, weil selbst eine 2:0-Führung auswärts nicht ausreichte. 72 Stunden später ein ebenso frustrierter Abgang von der Bielefeder »Alm«, weil sich die Mannschaft, statt eine Trotzreaktion zu zeigen, in Lethargie übte. Bei aller Leidenschaft gibt es Spiele, bei denen ich die Spieler, wie weiland Oliver Kahn den überraschten Andreas Herzog, nach Schlusspfiff am liebsten einzeln durchschütteln möchte. Es gab mal eine Phase in der Vereinsgeschichte, in der die Mannschaft nach Niederlagen besonders konzentriert auftrat. Diese Phase scheint mir jedoch seit Ende der achtziger Jahre vorbei zu sein.
    Dennoch schaffte die Mannschaft zum Ende der Saison mit fünf Siegen in Folge die Wende. Klinsmann hatte zwischenzeitlich seinen Abschied aus München angekündigt und im Frust nach seiner Auswechslung im Spiel gegen den SC Freiburg eine Werbetrommel malträtiert. Eine verheißungsvolle Tabellenkonstellation vor dem 33. Spieltag bewog mich zu einer Fahrt nach München. Ein Sieg im Heimspiel gegen den VfB Stuttgart bei gleichzeitiger Niederlage der von Christoph Daum trainierten Leverkusener beim 1. FC Köln würde den vorzeitigen Titelgewinn bedeuten. Da durfte ich nicht fehlen.
    Auch wenn diese Konstellation einer äußerst glücklichen Fügung gleichkäme, so hegt man ja doch so ganz insgeheim seine Hoffnung. Ich wurde nicht enttäuscht. Die 90 Minuten von München und Köln im Zeitraffer:
11.Min. Köln – Bayer 04 1:0
Toni Polster trifft. Leverkusen liegt zurück. Das fängt in Köln ja schon mal gut an.
17. Min. FCB – Stuttgart 0:1
Der FC Bayern liegt plötzlich auch hinten. Will denn etwa heute keiner Meister werden?
20. Min. FCB – Stuttgart 1:1
Aufatmen. Na also. Ausgerechnet Ziege in seinem letzten Heimspiel.
45. Min. Köln – Bayer 04 2:0
Köln trifft erneut. Da geht was!
45. Min. FCB – Stuttgart 2:1
Ja! Scholl mit dem Kopf, ganz selten. Es darf vom Titel geträumt werden. Leider kein Schlusspfiff, sondern nur zur Halbzeit.
51.Min. FCB – Stuttgart 2:2
Och nee! Nicht schon wieder! Nicht, dass es nachher an Bayern liegt.
60. Min. Köln – Bayer 04 3:0
Wieder Polster. Dermaßen genial. Köln macht seine Hausaufgaben. Nur ein Tor, bitte nur noch ein Tor zum Titel.
65. Min. FCB – Stuttgart 3:2
Da isses! Rizzitelli! Tollhaus Olympiastadion! Mir wird ganz schlecht. Die Anspannung war fast zu viel für mich.
78. Min. FCB – Stuttgart 4:2
Witeczek mit Traumtor. Die Meisterschaft ist perfekt. Scheiße, mir kommen die Tränen. Ausgerechnet jetzt!
85. Min. Köln – Bayer 04 4:0
Erneut Polster, »nur« noch ein weiteres Sahnehäubchen aus Köln.
    Ich war völlig mitgenommen. Seit fünf Uhr war ich auf den Beinen, hatte viel zu wenig gegessen und getrunken und dann diese zehn Tore. Wie schrieb die Münchner Abendzeitung so bildhaft in ihrer Chronologie der Geschehnisse: »Um 17.30 Uhr warf ein fußkranker Bayern-Fan im Stadion seine Krücken weg und konnte wieder gehen – wie schön!« An dem Tag war alles möglich.
    Für Giovanni Trapattoni freute es mich. Der knuffige Italiener war mir mittlerweile regelrecht ans Herz gewachsen. Die Bayern-Fans hatten indes anderes im Sinn und zerpflückten, auf der Jagd nach persönlichen Erinnerungsstücken, ausgerechnet jenen Rasen, auf dem vier Tage später Borussia Dortmund zum Sturm auf Europas Fußballgipfel ansetzen sollte. Dass die Dortmunder

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