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Sehnsucht FC Bayern

Sehnsucht FC Bayern

Titel: Sehnsucht FC Bayern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Radtke
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ohnehin schon weg. Durch die Champions-League-Reisen in jener Saison kippte mein Image in den Augen einiger Kollegen fast schon ins Wahnsinnige. Kopfschütteln war noch die mildeste Form der Reaktion. Ich habe das nie verstanden. Paris St. Germain und Besiktas Istanbul waren unsere weiteren Gegner in der Gruppenphase. Zu beiden Spielen reiste ich mit Antje. Grundsätzlich habe ich den Anspruch, nicht nur wegen eines Bayern-Spiels so weit zu reisen, sondern will, wenn irgend möglich, auch noch etwas von Land und Leuten mitnehmen. Das klappt natürlich nicht immer, und es gibt Städte, in denen die Auswahl an Sehenswürdigkeiten – vorsichtig formuliert – stark eingeschränkt ist. Im Falle von Paris und Istanbul traf das nun wirklich nicht zu. Wir blieben jeweils vier Tage dort.
    Ich habe den Anlass solcher Reisen nie großartig nach außen gekehrt. Aber wie das am Arbeitsplatz nun mal so ist, man wird ja regelmäßig gefragt, ob man im Urlaub verreist. Und dann habe ich stets wahrheitsgemäß geantwortet. Dennoch Kopfschütteln. Da könnte ich mich aufregen! Selber womöglich jahrelang am gleichen Ort Urlaub machen, um der Treue-Medaille der örtlichen Kurverwaltung hinterherzuhecheln, oder bestenfalls mal ein Pauschalurlaub in einem spanischen Touristen-Bunker absitzen – sich dann aber über Städtereisen mokieren. Unfassbar. Ich will es mal mit aller mir gebotenen Sanftmut formulieren: Ich habe schon von Leuten gehört, die sind für drei Tage nach Paris gereist und haben sich dabei kein Fußballspiel angeschaut. Ich war vier Tage dort und davon einen Abend im Stadion. Was, bitteschön, ist daran ungewöhnlich?
    Den bis heute größten innerfamiliären Stress bereitete mir das Endspiel im DFB-Pokal. Eine echte Grenzentscheidung. Auch Freunde, die ich um Rat bat, konnten mir keine eindeutige Antwort vermitteln, was zu tun sei.
    Was war geschehen? Bereits im Dezember 1997 verkündete Antjes Mutter, dass sie ihren 50. Geburtstag im Mai in ganz großem Stil feiern würde. Der Tag stand bereits fest: der 16. Mai, ihr Geburtstag. Verlegung unmöglich. Sofort blätterte ich im Kalender und entdeckte den Eintrag »Pokalfinale«. Mir schwante Böses. Noch konnte mir das Schicksal eine Entscheidung abnehmen. Immerhin hatte der FC Bayern soeben erst das Achtelfinale überstanden. Warum sich also unnötig Gedanken machen? Als im Viertelfinale Bayer Leverkusen im Heimspiel ausgeschaltet wurde, wurde die Situation langsam bedrohlich. Freundin und »Schwiegermutter« ließen keinen Zweifel daran, was sie von einer möglichen Entscheidung »pro Bayern« halten würden.
    Aber es gab ja noch ein Halbfinale. Ein Heimspiel gegen den VfB Stuttgart. Ob mir die Schwaben die Entscheidung abnehmen würden? Zusammen mit meinem Vater beschloss ich eine dreitägige Rundreise durch Süddeutschland, besuchte wie einst vor meinem ersten Heimspiel 1982 die schwäbische Verwandtschaft und reiste dann mit ihm weiter nach München, zum Halbfinale. Selbst wenn ich mich gegen den Besuch des Endspiels entscheiden würde, so hätte ich doch wenigstens dem Halbfinale beigewohnt. Das Spiel war mit 3:0 eine klare Angelegenheit. Alles freute sich über den Einzug ins Pokalfinale. Nur ich sah der Sache mit gemischten Gefühlen entgegen.
    Was folgte, waren endlose und nicht wenig emotional geführte Diskussionen zu Hause. Einerseits konnte ich meine Freundin verstehen. Der 50. Geburtstag ist nicht irgendein Geburtstag, sondern wahrscheinlich sogar DER Geburtstag. Andererseits standen wir seit zwölf Jahren endlich mal wieder im Endspiel. Ich war noch nie bei einem DFB-Pokalendspiel dabei gewesen. Sollte ich verzichten und möglicherweise noch einmal weitere zwölf Jahre warten? Musste ich erst Mitte 40 werden, um einmal live in Berlin dabei zu sein? Der Gedanke war gar nicht so abwegig. Zwischen 1971 und 1982 hatte es bereits schon einmal eine ähnlich lange Durststrecke gegeben, obwohl der FC Bayern das nationale Fußballgeschehen phasenweise dominiert hatte. Andere Fans warten fast ein ganzes Leben darauf, dass ihre Mannschaft einmal ins Finale kommt. Beim Endspielgegner MSV Duisburg war es die erste Finalteilnahme nach 23 Jahren. Von den derzeit 18 Vereinen der 1. Bundesliga haben 16 schon mal in einem Endspiel um den DFB-Pokal gestanden. Im Durchschnitt benötigen diese Mannschaften zehn Jahre, um sich dafür zu qualifizieren. Ich war hin- und hergerissen und machte mir die Entscheidung nicht leicht. Von Christoph Biermann war damals gerade ein

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