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Sehnsucht FC Bayern

Sehnsucht FC Bayern

Titel: Sehnsucht FC Bayern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Radtke
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Fußballstadions live gesehen hat, dort der genervte Star, Mannschaftskapitän und zweifache Torschütze vom Vortag, für den der Sonntag bei dieser weiten Anreise aus München auch schon vergleichsweise früh begonnen hatte. Dazwischen bewegten sich die Fanclub-Verantwortlichen, die genauso gespannt waren, zusätzlich aber um den Erfolg der Veranstaltung bangten und dennoch im direkten Umgang mit Stefan Effenberg eine gewisse Normalität an den Tag legen mussten, um ihm gegenüber nicht in völliger Ehrfurcht zu erstarren. Mit einer Talkshow, zu der wir den befreundeten Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach einluden, taute die Anspannung auf allen Seiten allmählich auf. Und auch Stefan Effenberg wurde von Minute zu Minute wacher und damit lockerer. Nach etwa drei Stunden Fragerei mit anschließendem Autogramme-Schreiben war der »Spuk« auch schon wieder vorbei und der Fanclub wieder unter sich. Eine tolle Einstimmung auf einen noch ungeahnten Saisonverlauf.
    Mitte Mai 2001 verband ich mit Antje den Besuch des Halbfinal-Rückspiels in der Champions League gegen Real Madrid mit dem letzten Heimspiel in der Bundesliga gegen den 1. FC Kaiserslautern. Nachdem der FC Bayern bereits im Viertelfinale den Endspielgegner von 1999, Manchester United, mit zwei Siegen aus dem Wettbewerb geworfen hatte, gab mit Real Madrid nun jene Mannschaft in Mün chen ihre Visitenkarte ab, an der man ein Jahr zuvor, bei Teil eins der Wiedergutmachung für Barcelona, erst im Halbfinale gescheitert war. Nun erneut Madrid und erneut im Halbfinale. Das bessere Ende behielt dieses Mal der FC Bayern und zog nach zwei Jahren wieder ins Endspiel ein. Uli Hoeneß erwies sich nach Schlusspfiff als Freund des gepflegten Feuerwerks und ließ es zu den Klängen des Triumphmarsches aus der Verdi-Oper Aida mächtig krachen. Es war einer jener magischen Abende im Olympiastadion, die der Allianz-Arena auch nach über fünf Jahren fast immer noch fehlen und bei aller kühnen Architektur und technischem Aufwand für den Zauber eines solchen Ortes dennoch unentbehrlich sind. Beim Betrachten des eindrucksvoll illuminierten Nachthimmels wird sich wohl bei den meisten der 63.000 Zuschauer die Vorfreude auf das Endspiel augenblicklich mit der bangen Frage verbunden haben: »Wird es diesmal besser laufen?«
    Die Erwartungshaltung aus der Partie gegen Real Madrid nahm ich drei Tage später auch mit in das Heimspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern. Aber würde sich die Mannschaft, das große Finale in Mailand vor Augen, tatsächlich noch auf die Bundesliga konzentrieren können? Den Anschein machte sie nicht, denn Kaiserlautern ging früh in Führung, und Bayern glich erst spät aus. Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass die Schlussminute des Spiels für den weiteren Verlauf der Vereinsgeschichte maßgeblich war. Einer Verzweiflungstat nicht unähnlich hatte Hitzfeld in der 89. Minute Zickler eingewechselt. Nur wenige Augenblicke später kurvte der Sachse in den Strafraum und zog ab. Sein Schuss wurde jedoch so abgeblockt, dass der Ball in hohem Bogen wieder bei ihm landete. Und was machte Zickler? Er schoss nicht einfach, nein, er hämmerte das Spielgerät aus 14 Metern volley ins Netz. Das Olympiastadion – ein Tollhaus. Inmitten dieses ekstatischen Jubels schrie ich, wie alle anderen, meine Anspannung der vorangegangenen 90 Minuten raus. Ich hüpfte, ich riss die Arme nach oben, ich umarmte meine Banknachbarn. Was tat ich eigentlich nicht? Es muss furchtbar peinlich ausgesehen haben. Der Jubel auf den Rängen war noch nicht abgeebbt, da brüllte Stadionsprecher Stephan Lehmann die VfB-Führung gegen Schalke ins Mikrofon. Selten zuvor hatte man das Olympiastadion lauter erlebt. Der längste Torjubel, weil er nahtlos in die Freude über den Drei-Punkte-Vorsprung und den Schlusspfiff überging, war es auf jeden Fall. Bei Punktgleichheit versuchte S04 das Unentschieden in Stuttgart über die Zeit zu bringen. Bis zur 90. Minute, ganze sieben Sekunden vor Zicklers Tor in München. Ich schrie, ich hüpfte, ich riss die Arme nach oben, ich umarmte meine Banknachbarn – das Ganze noch einmal!
    Man hätte hier einen Schnitt machen und später von einem sagenhaft emotionalen Saisonende sprechen können. Doch der Wahnsinn, wie sich zeigen sollte, nahm einfach kein Ende.
    Nach diesem Spiel luden mich Freunde auf einen Sekt beim Italiener in München-Milbertshofen ein. Meisterschaft feiern. Ich lehnte ab. Ja, waren die eigentlich wahnsinnig geworden? Hatte man denn

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