Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sehnsucht FC Bayern

Sehnsucht FC Bayern

Titel: Sehnsucht FC Bayern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Radtke
Vom Netzwerk:
sofern es nicht zu Lasten der Familie geht, vorbehaltlos unterstütze. Man gibt unbedacht bei so vielen Gelegenheiten Geld aus, wo es nicht unbedingt sein muss, dass man sich für solche womöglich unwiederbringlichen Gelegenheiten die Reisen auch mal leisten kann und – ich gehe noch weiter – auch leisten sollte. Bewusster Konsumverzicht und die Konzentration der verfügbaren Mittel ermöglichen mehr, als man glaubt. An einem anschaulichen Beispiel aus der vorherigen Saison wird deutlich, was ich meine. In einem Auto mit Bayern-Fans, das zum Champions-League-Spiel in Trondheim angefahren kam, saß jemand, der in der Fan-Szene recht bekannt ist. Sein Name tut hier nichts zur Sache. Ich würde ihm damit keinen Gefallen tun. Mangels geregeltem Einkommen muss er sich für solche Reisen stark einschränken. Essen vor Ort war für ihn zu teuer. Also hatte er als Proviant Ravioli-Dosen dabei. Eine davon aß er vor Ort – kalt. Das mag ein krasses Beispiel sein, aber eines, das verdeutlicht, was ich unter persönlicher Opferbereitschaft verstehe, absolut gutheiße, und das man so schnell nicht vergisst.
    Das mondäne Monaco wurde mit dem Fanclub im Rahmen einer mehrtägigen Reise entlang der Cote d’Azur besucht. Die dortige 2:3-Niederlage gegen den FC Liverpool ärgerte mich. Immerhin war und ist der Europäische Supercup bis heute der einzige Titel, den der FC Bayern noch nie gewonnen hat. Ansonsten hatte ich mir über die Sommerpause unmerklich eine gewisse Dickhäutigkeit gegenüber sportlichen Misserfolgen zugelegt. Es mag sich anhören, als hätte ich gekokst, aber in jenen triumphalen Monaten fühlte sich plötzlich alles so leicht an. Zumindest im Zusammenhang mit Fußball. Wir fuhren am 1. Spieltag zum Gladbacher Bökelberg und verloren, wie so oft, auch dieses Mal. Nie habe ich in der Bundesliga die Bayern-Fans nach einer Niederlage fröhlicher ein Stadion verlassen sehen. Offenbar ging es nicht nur mir so. Selbst die spöttischen Bemerkungen der Gladbacher Fans auf dem Parkplatz nahmen uns die Gelassenheit nicht.
    Als der Flug zum Weltpokalfinale in Tokio anstand, hatte ich bereits zwölf Bayern-Spiele in der noch jungen Saison hinter mir. Darunter, neben Monaco, aufwändige Reisen nach Wien, Prag und Rotterdam. Zwei Tage vor dem Abflug verletzte ich mich beim Hallenfußball. Es tat höllisch weh. Das linke Knie und der Unterschenkel mussten bandagiert werden. An sich kein Problem, wären da nicht die routinemäßigen Empfehlungen des Sportarztes: »Bitte vermeiden Sie langes Sitzen, wie z. B. im Flugzeug. Sonst droht Ihnen eine Thrombose.« Der Mann hatte gut reden. Ich musste übermorgen nach Tokio und gestand ihm mein Problem.
    »Fliegen Sie erster Klasse?« fragte er mich.
    Sollte das ein Witz sein? Erster Klasse, ich? Nach all den Europacup-Reisen der letzten Monate?
    »Herr Radtke, nun sagen Sie nicht, Sie fliegen Holzklasse.«
    »Doch!«
    »Ach, machen Sie doch, was Sie wollen. Schwester, bringen Sie Herrn Radtke 20 Thrombose-Spritzen zum Mitnehmen. Haben Sie sich schon mal selbst gespritzt?«
    »Nein.« Mir wurde schummrig.
    »Auch das noch! Jetzt passen Sie mal auf. Man zeigt Ihnen gleich, wie Sie sich die nächsten Tage selbst spritzen werden. Entweder in den Oberschenkel oder in den Bauch. Andernfalls können Sie Ihren Flug vergessen. Sie haben ein verdammt hohes Thrombose-Risiko!«
    Mir war mittlerweile nicht mehr schummrig, mir war schlecht.
    Tatsächlich funktionierte es jedoch besser, als ich gedacht hatte, auch wenn es mich jedes Mal reichlich Selbstüberwindung kostete. Problematisch waren zunächst die Diskussionen mit dem Sicherheitspersonal im Flughafen. Da ich mich während des Fluges spritzen musste, hatte ich einige Nadeln im Handgepäck. Ich kam mir vor wie ein Junkie. Und irgendwie war ich das ja auch. Ich nahm kein Heroin, mein »Stoff« hieß FC Bayern. Die Anschläge vom 11. September waren erst wenige Wochen her. Entsprechend kritisch beäugte man mein Spritz-Besteck, zumal ich keinen Nachweis über eine Zuckerkrankheit oder Ähnliches vorzeigen konnte. Lediglich mein bandagiertes Bein. Entsprechend nervig waren die Diskussionen mit dem Bodenpersonal am Flughafen.
    In der Luft ging das Theater weiter. Nicht nur, dass ich für meine gymnastischen Übungen alle 45 Minuten einen Platz am Gang benötigte, um ungehindert aufstehen zu können. Die Nadeln mussten nach Gebrauch wegen des Aids-Risikos auch noch einzeln in speziellen Behältnissen beim Kabinenpersonal abgegeben werden. Um

Weitere Kostenlose Bücher