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Sehnsucht FC Bayern

Sehnsucht FC Bayern

Titel: Sehnsucht FC Bayern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Radtke
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Sepp-Herberger-Manier permanent altkluge Fußballweisheiten absondert. Nur um mal die gröbsten Klischees zu bemühen. 24 Heimspiele bedeuten in einem Block mit Jahreskarteninhabern alle elf Tage die gleichen Verrückten um sich herum. Man kann sie sich nicht aussuchen. Und dass ich jedes Heimspiel sehen wollte, war klar. Ich hatte schließlich Nachholbedarf – wenn auch auf hohem Niveau. Das Versäumen eines Heimspiels aus nichtigem Grund wäre mir, der früher ein ganzes Wochenende für diese 90 Minuten geopfert hatte, wie ein Verrat vorgekommen. Seitdem ich in München eine Wohnung habe, fanden 179 Bayern-Heimspiele statt (Stand April 2009). An dreien davon war ich verhindert. Das sind definitiv drei zu viel. Abgesehen davon wollte ich um 15.30 Uhr auch tatsächlich nirgendwo anders sein als in Block X4 des Olympiastadions. Ich entwickelte zu diesem Ort, der für mich früher eine Art manifestierte Sehnsucht verkörperte, eine geradezu innige Beziehung. Dass dies noch persönliche Folgen haben sollte, konnte ich allerdings nicht ahnen.
    Zum Luxus meines neuen Domizils in München gehörte auch der absolute Wegfall jeglichen An- und Abreisestresses. Waren wir früher zu einem Heimspiel spätestens ab sechs Uhr morgens auf den Beinen, verließen wir nunmehr gemütlich um 14 Uhr die Wohnung in München-Trudering und waren fast um 18.30 Uhr wieder zu Hause. Dieses Privileg wurde zu Beginn dieser Saison noch einmal besonders deutlich, als in der Vorbereitungszeit Freundschaftsspiele in Freising oder Rottach-Egern angesetzt waren. Ich blieb bis 17 Uhr pflichtbewusst im Büro, zog mich im Auto um und war dennoch pünktlich zum Anpfiff in den kleinen Stadien. Herz, was willst du mehr? Was für Tausende Bayern-Fans in dieser Region selbstverständlich war, lernte ich erst als 34-Jähriger kennen und dankbar zu schätzen. Ich tobte mich bayernmäßig aus. Spiele der FCB-Handball-Abteilung wurden ebenso besucht wie Begegnungen der Basketballer. Das galt erst recht im Fußball, wo ich mir teilweise Spiele der Jugendmannschaften anschaute, erst recht jedoch die Paarungen der Amateure in der Regionalliga-Süd.
    Eine ebenso neue Erfahrung stellte für mich die Präsenz des Liga-Konkurrenten TSV München 1860 dar. Natürlich blieb mir die Rivalität auch zu Kölner Zeiten nicht verborgen. Dennoch war ich überrascht, auf welch zahlreiche Anhängerschaft die Blauen in München zählen konnten und wie sich dies in der täglichen Berichterstattung niederschlug. Damit hatte ich nach den langen Jahren in den Niederungen der Bayernliga nicht unbedingt gerechnet. Respekt! Bis heute ist mir nicht ganz klar, wie die Sympathien innerhalb der Stadtgrenzen tatsächlich verteilt sind. Ganz zu schweigen von den Fußballfans der näheren Umgebung, aus Dachau, Fürstenfeldbruck, Erding oder Unterhaching. Egal, ich wollte es genauer wissen. Als Freund von Statistiken griff ich zu Block und Bleistift und führte über jedes sichtbare Bekenntnis für den FCB oder TSV auf Autos, Schulranzen oder sonstigen Gebrauchsartikeln im Straßenverkehr eine Strichliste, die ich wochenlang auf dem Beifahrersitz im Auto liegen hatte. Beim Stande von 240 zu 120 zugunsten des FC Bayern hörte ich auf. Wer sonst keine Probleme hat …
    Diese Zweidrittelmehrheit für den FCB scheint mir eine realistische Abbildung der Wirklichkeit und wurde mir später von einigen 1860-Fans bestätigt. Eine qualitative Aussage, wie auch immer die aussehen soll, ist dies natürlich nicht. Von 1860 als dem »münchnerischeren« der beiden Vereine zu sprechen, ist haltlos, wenn man sich auch nur etwas intensiver mit beiden Vereinschroniken beschäftigt. Selbst das Alter beider Vereine liefert keinen Anhaltspunkt. Wir reden hier über Fußball. Und nicht vom Turnen. Zwar hat sich die Fußballabteilung des TSV 1860 tatsächlich ein Jahr früher gegründet als die späteren Konkurrenten aus Schwabing. Dafür hat der FC Bayern 27 Monate zeitiger mit dem Fußballspielen begonnen, während sich die Fußballer des TSV immer noch in einer Art Selbstfindungsphase befanden und erst mal geschlagene drei Jahre nur trainierten.
    Selbst als »Zugezogner« ließ ich mich von der auch medial inszenierten Aufgeregtheit im Vorfeld eines Bundesliga-Derbys anstecken. Warum eigentlich? War mir dieser Verein aus verständlichen Gründen bis dahin gleichgültig, begann er mich nun zusehends zu nerven. Anstatt sich wie St. Pauli auf ein eigenständiges Profil als Pseudo-Arbeiterverein oder was auch immer zu

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