Sehnsucht FC Bayern
Bundesliga-Alltag zu erleben. Als ich am 1. Spieltag, an einem sonnigen Freitagabend über den Mittleren Ring Richtung Norden fuhr, wäre ich beim BMW-Hochhaus am liebsten rechts abgebogen, statt mich durch den Petuel-Tunnel auf ungewohntes Terrain zu begeben. Auch heute, nach fast vier Jahren, bleibe ich dabei: Ein Bayern-Spiel im sonnendurchfluteten Olympiastadion kann von der Allianz-Arena nicht getoppt werden. Ich fürchte, ich bin in dieser Hinsicht hoffnungslos nostalgisch.
Natürlich bin ich in dieser Frage schon wegen meines Buches arg befangen. Und ich weiß sehr wohl, dass es zur Allianz-Arena keine Alternative gab. Ebenso räume ich ein, dass die Nähe zum Spielfeld und der Zuschauerkomfort in unserer neuen Heimat eindeutige Pluspunkte sind. Insofern bin ich mit der Allianz-Arena sehr zufrieden. Stadionneubauten in Deutschland folgen sonst ausschließlich der Maxime nach spröder Funktionalität und Kostenreduktion. Mit der Entscheidung für das Modell eines weltweit führenden Architektenbüros hatte man uns das ästhetisch aufregendste und architektonisch anspruchsvollste Stadion der Zeit beschert. München war wieder einmal die Nummer eins in der deutschen Stadionlandschaft und knüpfte damit an die großartige Historie des Olympiastadions an. Wir haben es bei der Allianz-Arena mit einem Stadion zu tun, über das sich der FC Bayern definiert und über das er auch definiert wird. Der Gedankengang Nou Camp = Barcelona, Bernabeu = Madrid oder Old Trafford = Manchester trifft auch auf München zu.
Auch mit dem Namen konnte ich mich arrangieren. Obwohl ich bei einem Konkurrenzunternehmen arbeite, geht mir der Stadionname recht flüssig über die Lippen. Die Alliteration aus den beiden gleichlautenden Anfangsbuchstaben und der Gedanke an das, zumindest offiziell, anfänglich gemeinsame Projekt von zwei Vereinen, wirken akzeptanzstiftend, zumal es sich auch noch um einen Neubau handelt. Da tät ich mich mit dem Umtaufen eines bestehenden Stadions wie in Dortmund, vom Westfalenstadion zum Signal-Iduna-Park, deutlich schwerer. Ganz zu schweigen vom (Achtung, business-english!) »re-branding« wie in Hamburg. AOL-Arena war ja schon holprig. Aber welcher HSV-Fan spricht eigentlich von der HSH-Nordbank-Arena? Schauderlich!
Im Olympiastadion trug der FC Bayern in 33 Jahren exakt 792 Spiele aus. In der Allianz-Arena werden es mit Sicherheit mehr werden. Insofern ist es zumindest mir eben nicht egal, ob ich alle elf Tage in einen hastig hochgezogenen Profanbau aus Beton oder eben jenes Kunstwerk pilgere, das wir nun haben. Das außergewöhnliche Olympiastadion hat bei mir Ende der siebziger Jahre nicht unwesentlich mit dazu beigetragen, den »ideologischen« Weg zum FC Bayern zu finden. Die Strahlkraft des Vereins und dieses Stadion waren eine Symbiose. Als jemand, der mittlerweile nahezu alle deutschen Stadien der 1. bis 3. Liga kennt, erlaube ich mir diesen Spagat aus nostalgischer Verklärung des Olympiastadions und persönlicher Akzeptanz der Allianz-Arena mit all ihren jeweiligen Schwächen. Ein Zweckbau wird nie die Bedürfnisse und Vorlieben aller befriedigen. Ich wage aber auch die Prognose, dass es für die Allianz-Arena mit ihrer konzeptionell ausgeprägten Kälte in Form und Farbe äußerst lange dauern wird, bis sie an das geschichtsträchtige Olympiastadion heranreicht. Die ersten drei vollständigen Spielzeiten in der neuen Arena waren sportlich zweifellos erfolgreich, brachten jedoch mit dem Derby im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen 1860 München bisher nur eine Begegnung hervor, die sich im kollektiven Gedächtnis der Bayern-Fans festsetzen wird. Eine Meisterschaftsentscheidung oder ein Europacup-Halbfinale waren bisher nicht dabei. Ich hoffe, dass sich das bald ändert.
Die Allianz-Arena bot dann auch für mich einen interessanten Blick hinter die Kulissen, da ich ausnahmsweise mal Zutritt zum Medienbereich erhielt. Wenn man akkreditiert ist, zieht sich solch ein Besuch im Stadion über den kompletten Nachmittag hin. Ab 14 Uhr trafen sich die Journalisten von Hörfunk, Presse und Fernsehen im »Presseclub« unterhalb der Haupttribüne bzw. hinter der Eckfahne im südwestlichen Bereich des Stadions und tauschten Neuigkeiten aus. Da erblickte man so manch bekanntes Gesicht. So ab 15.10 Uhr wurde es etwas hektisch, als die Mannschaftsaufstellungen veröffentlicht wurden. Ein Clou am Presseclub ist, dass man auf die Minute genau seinen Platz auf der Pressetribüne einnehmen kann und dabei
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