Sehnsucht nach dem Maerchenprinzen
ihre Mutter waren empört gewesen. Galt ihre Familie etwa nichts mehr? Ihr Vater hatte nur die Schultern gezuckt und gefragt: âWas habt ihr denn erwartet?â
So war es jetzt fast immer. Mutter und Tochter bezogen grundsätzlich gegen den Hausherrn Stellung. Er war einfach zutolerant und hatte seinem Sohn, Nicoles Jugendidol, immer misstraut. Nie würde sie ihm das verzeihen!
âDu wusstest natürlich alles im Voraus, nicht wahr?â, wandte sie sich an Charlotte. âDu wusstest, dass er Riverbend gekauft und uns keine Einladung geschickt hat.â
âBeide Vermutungen sind falschâ, antwortete Charlotte. Sie war völlig ahnungslos gewesen, aber das würde Nicole ihr niemals abnehmen.
âIch kenne dichâ, fuhr Nicole fort. âIch kenne euch beide und eure Geschichte. Ihr habt meinem Bruder das Herz gebrochen.â
âUnd wir kennen dich, Nicoleâ, warnte Rohan sie. âDich und deinen Bruder Martyn. Wenn du eine Tasse Kaffee trinken möchtest, rate ich dir, es anderswo zu versuchen. Wir sind noch nicht lange hier, und Stefano sieht besorgt in unsere Richtung.â
âVergiss Stefanoâ, sagte Nicole und machte eine wegwerfende Handbewegung, ehe sie wieder Charlotte aufs Korn nahm. âWie geht es übrigens meinem Neffen?â Ihre Stimme triefte von Ironie.
Charlotte blieb fast das Herz stehen. Ein Gespräch über Christopher musste um jeden Preis vermieden werden. âWarum gehen wir nicht?â, fragte sie Rohan. âNicole ist nicht zu helfen.â
âWas sagst du da?â Nicole wurde rot vor Wut. Sie wollte die Schläge austeilen und sich nicht von Charlotte bloÃstellen lassen!
âDu hast richtig gehörtâ, antwortete Rohan an Charlottes Stelle. âIch würde jetzt lieber gehen, Nicole. Du bist eine Prescott ⦠vergiss das nicht.â
Eine eiskalte Dusche hätte nicht wirksamer sein können. Nicole wich einige Schritte zurück und stieà wütend hervor: âWahrscheinlich ist es von einer Putzfrau zu viel verlangt, ihrem Sohn gute Manieren beizubringen!â
Darüber konnte Rohan nur lachen. âIch habe meine Mum niemals fluchen hörenâ, meinte er. âDeine Mutter hingegen â¦â Er tat, als müsste er nachdenken. âSoweit ich mich erinnere, kam in jedem zweiten Satz von ihr ein Schimpfwort vor. Ich wette, das hast du übernommen.â
Diesmal blieb Nicole die Antwort schuldig. Sie machte auf dem Absatz kehrt und verschwand wie ein böser Geist.
âEine wirklich feine Personâ, meinte Rohan seufzend, während er sich wieder hinsetzte. âNicole stirbt vor Neid. Ihr Hass auf dich ist pathologisch.â
âUnd daher gefährlichâ, warnte Charlotte. âIch wette, sie hat Christophers Ãhnlichkeit mit dir bemerkt.â
âWir können nicht ewig verheimlichen, dass er mein Sohn ist.â
âAber du hast versprochen â¦â
âDas halte ich auch. Martyn ist tot. Es tut mir leid, dass er so jung sterben musste. SchlieÃlich sind wir Freunde gewesen, bis er mich schamlos verleumdet hat, um sich selbst zu schützen. Er war feige und ehrlos. Hättest du dich nicht scheiden lassen können?â
Der Gedanke erschreckte Charlotte. âDann wäre ich erst recht in Schwierigkeiten gekommen.â
Rohan beugte sich vor und sah ihr starr ins Gesicht. âWie darf ich das verstehen?â
Charlotte schwieg. Sie hatte schon zu viel gesagt. Wenn sie Christopher schützen wollte, durfte sie sich nicht zu unbedachten ÃuÃerungen verleiten lassen. In Zukunft würde sie vorsichtiger sein.
âHattest du vielleicht Angst vor Martyn?â, forschte Rohan weiter. âHast du dich vor seiner Reaktion gefürchtet?â
Sie schüttelte den Kopf.
âSolltest du jemals versuchen, mich zu verlassen, bringe ich dich und das Kind um.â
Wie oft hatte Charlotte über diese Worte nachgedacht! Es waren Martyns letzte gewesen, daher hatten sie sich besonders tief in ihr Gedächtnis gegraben.
âIch muss gehenâ, sagte sie. âZu Hause ist viel zu tun.â
Rohan nahm einige Geldscheine aus seiner Brieftasche. âIrgendwann wirst du mir Rede und Antwort stehenâ, prophezeite er.
âVielleicht gibt es Dinge, von denen du lieber nichts wissen solltest.â
âDiese Antwort akzeptiere ich nichtâ, erwiderte er und stand auf. âKomm, ich begleite dich zu
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