Sehnsucht nach dem Maerchenprinzen
willen.â
Charlotte hatte den Gedanken immer wieder verdrängt, und als sie jetzt mit Rohan vor der Tür zu Mary Rose Costellos Apartment stand, empfand sie groÃe Angst. Zu viel war in den vergangenen Tagen auf sie eingestürmt. Zu viel, um es auf einmal zu verkraften. Sie war hier, weil sie Vergebung suchte, und wusste nicht, ob sie diese überhaupt verdiente.
Doch Rohan nahm beruhigend ihre Hand. âIst es nicht wie früher?â, fragte er versonnen und trat einen Schritt zurück, als seine Mutter die Tür öffnete. Sie machte einen gefassten, wenn auch etwas reservierten Eindruck.
Fast hätte Charlotte einen Laut der Ãberraschung ausgestoÃen, denn Mary Rose Costello, eine Frau von Mitte vierzig, sah gut und gern zehn Jahre jünger aus. Ihr volles kupferrotes Haar war kurz geschnitten und hübsch frisiert, und sie hatte immer noch den Alabasterteint aller Rothaarigen. Kein Fältchen war zu erkennen. Man sah ihr an, dass sie Geld hatte und sich sorgfältig pflegte. Dafür sprachen nicht nur die perlmuttfarben lackierten Fingernägel, sondern auch der geblümte Kaftan, der ihre zierliche Gestalt umhüllte.
Mary Rose erwiderte Charlottes Blick kühl und distanziert. Nicht das leiseste Lächeln, das auf eine freundliche Aufnahme hingedeutet hätte, erschien auf ihrem Gesicht. Vielleicht lässt sie mich gar nicht in die Wohnung, dachte Charlotte, der die Knie weich wurden. Vielleicht schreit sie mir jetzt allen angestauten Hass ins Gesicht.
âMrs Costello.â Sie streckte die Hand aus, ohne eine Reaktion zu erwarten. âIch habe erst heute erfahren, dass ich hierherkomme. Sie müssen mich nicht empfangen, wenn Sie nicht wollen.â
Rohans Mutter lieà sich mit der Antwort Zeit. âMein Sohn und Sie haben wieder zusammengefundenâ, sagte sie schlieÃlich. âDeshalb habe ich mich auf diesen Besuch gefreut.â Sie zögerte noch einmal und schloss dann Charlotte kurz in die Arme. âKommen Sie herein, meine Liebe. Sie werden sich erinnern, dass ich Sie immer gernhatte.â
âJa, Mrs Costello.â Charlotte widerstand der Versuchung, sich nach Rohan umzudrehen.
âWie Sie sehen, sorgt mein Sohn fürstlich für mich.â Mary Rose warf Rohan einen liebevollen Blick zu. âTrotzdem betreibe ich eine Boutique in Double Bay, mit der ich sehr erfolgreich bin. Sie wissen vielleicht noch, dass Mode mich immer sehr interessiert hat. Wenn Sie möchten, zeige ich Ihnen bei Gelegenheit mein kleines Reich.â
âO jaâ, sagte Charlotte, âdas wäre schön. Ich habe die hübschen Kleider nicht vergessen, die Sie für uns genäht haben.â Sie vermied es, ihre Mutter zu erwähnen, von der Rohans Mutter erst so freundlich und dann so ungerecht behandelt worden war.
âTritt näher, Darling.â Rohan nahm ihren Arm und führte sie weiter ins Wohnzimmer. Er tat überaus freundlich. Fast hätte Charlotte ihn ernst genommen, aber er veranstaltete das Theater ja nur für seine Mutter. Vor ihr mussten sie das wiedervereinte Paar spielen, und dieser Besuch war der erste Schritt. Die nächsten würden schwieriger werden.
âBitte nennen Sie mich beim Vornamen, Charlotte, und nehmen Sie Platz.â Mary Rose Costello zeigte auf das mit cremefarbenem Samt bezogene Sofa, vor dem ein niedriger schwarzer Lacktisch stand. Eine originell geformte weiÃe Porzellanvase mit weiÃen Amaryllisblüten bildete den einzigen Schmuck.
âWie hübsch!â, rief Charlotte, der die schlichte Eleganz des Arrangements auffiel.
âDie Kreation stammt von einer jungen Floristin, die sich bald einen Namen machen wirdâ, erklärte Mary Rose. âSie versteht es, jede Blume zu ihrer schönsten Wirkung zu bringen. Ich muss Ihnen unbedingt die weiÃe Schmetterlingsorchidee zeigen, die sie mit frischem Moos in eine Glasschale gepflanzt hat. Ich liebe weiÃe Blumen.â
âGenau wie ich.â Charlotte sah sich im Wohnzimmer um. Wie führte man ein Gespräch, bei dem alle entscheidenden Themen vermieden werden mussten? âDiese Künstlerin kenne ich.â Sie zeigte auf ein groÃes, abstraktes Gemälde, das über dem Kamin hing. âVon ihren eindrucksvollen Kompositionen geht eine seltsame Ruhe aus.â
âRohan hat mir das Bild zu meinem letzten Geburtstag geschenktâ, berichtete Mary Rose und lächelte ihren Sohn zärtlich
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