Sehnsucht nach Geborgenheit
Liz absolut nicht.
„Es stimmt doch, dass euer Treffen am Wochenende des 8.
März stattfand, nicht wahr?" erkundigte sie sich so sachlich, als würde sie vor Gericht einen Zeugen befragen.
Joanie nickte.
„Und du sagst, meine Schwester hat sich gar nicht angemeldet?"
„Nein, das hat sie nicht."
Das Schweigen wurde immer länger, während Joans Sohn ungeduldig an ihrer Hand zog.
„Es tut mir leid", fuhr Sharons Freundin betrübt fort. „Bestimmt gibt es für alles eine logische Erklärung. Vielleicht hat sie es sich in letzter Minute anders überlegt und wollte doch kommen." Sie lächelte wehmütig. „Das wäre typisch für sie gewesen, weißt du?
Einfach unangemeldet vor meiner Tür zu stehen."
Obwohl sie es wollte, konnte Liz Joan Campbells Erklärung nicht akzeptieren. Sie hatte das letzte Mal mit ihrer Schwester eine Woche vor dem tödlichen Flug gesprochen, und Sharon war fest entschlossen gewesen, am Ehemaligentreffen teilzunehmen.
Sie hätte genug Zeit gehabt, ihre Gastgeberin anzurufen.
„Da hast du recht", sagte Liz.
Viel gab es zwischen ihr und Joan nicht mehr zu reden. Es sei denn, sie erzählte Joan von Jacks überstürzter Hochzeit - mit ihr selbst. Da sie das nicht wollte, beglückwünschte sie die junge Frau zu ihren hübschen Kindern und behauptete, wieder ins Büro zu müssen.
Eine halbe Stunde später saß sie am Schreibtisch, vor sich einen leeren Block, einen Kugelschreiber und die Notizen, die sie sich bei der morgendlichen Besprechung gemacht hatte. Sosehr sie es auch versuchte, sie konnte sich nicht auf die Briefe konzentrieren, die sie schreiben musste.
Sie starrte aus dem
Fenster und dachte darüber nach, was sie gerade von Sharons Freundin erfahren hatte.
Sharon hatte ihr und ihren Eltern etwas verschwiegen, da war sie ganz sicher. Ob Jack Bescheid gewusst und ihnen nichts erzählt hatte, um sie nicht damit zu belasten? Oder wusste auch er nichts davon? Sie beschloss, vorsichtig nachzufragen. Wenn sie die Sache offen zur Sprache brachte, würde sie ihn vielleicht verletzen und eine alte Wunde aufreißen.
Wegen einer in letzter Minute anberaumten Besprechung bei Mac Royer traf sie an diesem Abend eine ganze Stunde später auf der Farm ein. Als sie an der Küchentür hielt, bemerkte sie den Lieferwagen eines Tischlers. Irish versuchte mit seinem Bellen das Kreischen einer Elektrosäge zu übertönen. Als beide verstummten, hörte Liz ein Hämmern.
Bevor sie nachschauen konnte, kam Jack mit Kassie im Schlepptau aus der Küche. „Liz ... du bist zu Hause!" begrüßte er sie begeistert, während sie dem Baby einen Kuss auf die Wange gab. „Komm, sie dir an, was ich für Kass bauen lasse."
Liz durfte sich nicht erst umziehen, sondern musste Jack in hochhackigen Schuhen und in ihrem beigefarbenen Kostüm zur anderen Seite des Hauses begleiten. Dort wurde in sicherer Entfernung vom Teich unter einem ausladenden Kirschbaum ein Sandkasten angelegt. Einige Meter daneben standen schon eine Schaukel und eine Rutsche.
„Was hältst du davon? Meinst du, sie wird Spaß daran haben?"
fragte er mit einem ansteckenden Lächeln, das nicht zu einem trauernden Witwer passte.
Kassies Gesicht verriet, wie sehr sie sich freute. „Los!" rief sie ihr neues Lieblingswort und versuchte, sich aus Jacks Armen zu befreien.
„Ich finde es großartig", antwortete Liz und versuchte, nicht auf die winzigen Lachfalten um Jacks Mundwinkel zu starren.
„Komm zu Tante Liz, Liebling. Ich schiebe dich an", sagte sie und streckte die Arme nach dem Kind aus.
Kassie wurde auf der Schaukel festgeschnallt und sauste bald fröhlich lachend durch die Luft.
Während der paar Tage, die sie seit ihrer recht nüchtern abgelaufenen Trauung gemeinsam verbracht hatten, war Jacks Zuneigung für seine schlanke rothaarige Schwägerin stetig gewachsen. Er sah zu, wie sie so unbeschwert mit Kassie spielte, wie Sharon es nur selten getan hatte. Leider bezweifelte er, dass sie ahnte, was er für sie empfand.
Im Moment ist es wohl besser, einfach abzuwarten, dachte er und zwang sich zur Geduld, während er ihre schmale Taille und die hinreißend geformten Brüste betrachtete. Trotz des Glücks, das ihre Augen ausstrahlten, wenn sie in Kassies Nähe war, trauerte sie noch immer um ihre Schwester. Mit Sicherheit wäre sie entsetzt, wenn sie wüsste, dass er diese Trauer nicht teilte, sondern in erster Linie Erleichterung empfand.
Erst nachdem der Tischler gegangen war, erzählte Liz Jack, dass sie am Nachmittag
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