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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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Raffael kaum bereit war, sich den Wünschen seines Vaters unterzuordnen. Zu ihrer großen Überraschung war es bislang noch zu keiner Auseinandersetzung gekommen. Der junge Mann packte ohne Zögern bei der täglichen Arbeit mit an und half Samuel und dessen Söhnen. Sie grübelte, was ihren Sohn so verändert haben mochte, kam jedoch zu keiner wirklichen Erkenntnis. Entgegen seiner sonstigen Art widersprach er seinem Vater nicht, sondern hörte ihm aufmerksam zu. Johannes war davon so angenehm überrascht, dass auch er seine grummelnde Art aufzugeben begann und jegliche Konfrontation zu vermeiden suchte. Doch Sarah traute dem Frieden nicht. Spätestens wenn Johannes mit seinem Sohn über dessen Zukunft auf der Farm reden würde, würde sich eine neue Kluft auftun. Sarah fühlte sich zwischen den beiden Männern hin-und hergerissen. Es war wie ein Kampf zwischen ihren beiden Kulturen. Bei ihrem Volk war es selbstverständlich, dass ein Sohn den Weg beschritt, den die Ahnen von ihm forderten. Deshalb verstand sie ihren Mann, der forderte, dass Raffael sein
Lebenswerk fortführte. Auf der anderen Seite sah sie mit dem Herzen einer Mutter. Sie spürte, dass ihr Sohn für andere Dinge viel offener war. Er interessierte sich für Technik, aber auch für Philosophie und Geschichte. Dinge, von denen Sarah keine Ahnung hatte. Sie wusste nur, dass er in ihrem Dorf wohl ein geachteter Ratgeber gewesen wäre, weil er klug war und immer nach Gerechtigkeit strebte. Ihr Mann hatte die Hoffnung nie aufgegeben, dass sich sein Sohn doch noch für die Farmarbeit interessieren würde.
    Je älter Johannes wurde, umso mehr setzte sich eine gewisse Halsstarrigkeit und auch Verbitterung in ihm fest. Die Jahre machten ihm zu schaffen. Seine Knochen schmerzten, wenn er morgens aufstand, und sie schmerzten erst recht, wenn er sich abends zur Ruhe legte. Sarah wusste, dass er es nie wirklich überwunden hatte, dass seine geliebte Tochter damals hatte fliehen müssen. Er vermisste sie mehr, als er jemals zugeben würde. Sie war so, wie er sich Raffael immer gewünscht hatte. Sarah bekümmerte das, weil sie spürte, dass der Vergleich ungerecht war. Warum nahm ihr Mann seinen Sohn nicht so an, wie er nun einmal war? Dann wäre für sie alle das Leben viel leichter. Sarah wusste um die Sorgen ihres Mannes, und sie liebte ihn immer noch, auch wenn er es ihr manchmal durch seine immer starrer werdende Art nicht leicht machte. Sie hoffte inständig, dass ihre beiden Männer einen guten Weg für die Zukunft finden würden.
    Johannes grub gerade den Gemüsegarten mit einem Spaten um, damit sie neue Pflanzen setzen konnte. Er musste oft Pausen machen und rieb sich dabei den Rücken. Sarah setzte ihren Wäschekorb ab und schüttelte den Kopf.
    »Die schwere Arbeit kann doch Mateus machen«, meinte sie. Doch Johannes schüttelte nur unwirsch seinen weißgrauen Kopf. »Das kleine Stück werde ich schon noch hinbekommen«, brummte er. »So alt, wie du immer tust, bin ich wirklich noch nicht. Wo ist eigentlich mein Sohn? Wird er mit uns essen?«

    Sarah schüttelte den Kopf. »Er repariert mit Mateus das Windrad. Danach will er noch zu Nakeshi und Bô. Angeblich sind sie mit ihrer Gruppe wieder einmal in der Nähe. Ich nehme an, er wird über Nacht bleiben.«
    »Der Junge scheint sich wirklich geändert zu haben«, meinte er zufrieden. »Die Jahre auf dem Internat haben ihn wohl doch zu einem Mann gemacht.«
    »Nicht die Schule, die Zeit hat ihn zu einem Mann gemacht«, erwiderte Sarah lächelnd. Johannes bedachte seine Frau mit einem schiefen Grinsen, stimmte ihr aber zu. »Wie auch immer. Die Hauptsache ist, dass er sich hier auf der Farm einfügt.« Dann wechselte er das Thema. »Seit wann sind die Buschmänner denn wieder in der Gegend? Sie waren lange nicht hier.«
    »Joshua hat ihre Spuren bei Erongo entdeckt. Er hat auch gesagt, dass es nicht mehr viele sind.«
    »Ach ja?« Sein von der Sonne gegerbtes Gesicht zeigte Sorgenfalten, als er sich schweigend wieder an seine Arbeit machte. Bôs Gruppe wäre nicht die erste, die wegen der Lockungen der Zivilisation zerfiel. Immer mehr Traditionen begannen sich in den letzten Jahren aufzulösen. Johannes gefiel das ganz und gar nicht.
     
    Raffael lief der Schweiß in Strömen über das Gesicht, als er gemeinsam mit Mateus das reparierte Windrad wieder in seine Position brachte. Die beiden jungen Männer befanden sich in etwa zehn Meter Höhe auf einem hölzernen Gestell und kontrollierten die Schrauben ein

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