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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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ist der Meinung, dass man damit nicht früh genug anfangen kann. Er wäre sehr ungehalten, wenn ich sie frühzeitig holen ließe.«
    »So, so, Benimmunterricht!«, Fritz räusperte sich leicht und
warf Jella einen amüsierten Blick zu. Genau wie sie musste er an den unschönen Vorfall an ihrer Hochzeit denken. Bei Nachtmahrs Sohn Achim war der Unterricht wohl nicht auf sehr fruchtbaren Boden gesunken. Isabella schaute Fritz verunsichert an. Offensichtlich schien sie von den Unternehmungen ihres Gemahls und ihres Sohnes nichts zu wissen. Überhaupt wirkte sie verhuscht und äußerst unsicher. Jella fiel auf, dass sie immer wieder mit einer Hand auf ihren Magen drückte und dabei leicht das Gesicht verzog. Außerdem hatte sie gelbliche Augäpfel, die auf eine Erkrankung der Leber schließen ließen.
    »Ist Ihnen nicht gut?«, fragte sie besorgt. Isabella schüttelte entschlossen den Kopf.
    »Danke, es geht mir gut. Eine kleine Magenverstimmung, nichts Ernstes.«
    »Wenn Sie wollen, lasse ich Ihnen eine Medizin da.« Jella ließ nicht locker. »Ich bin Krankenschwester und kann Ihnen vielleicht helfen. Nur müsste ich zuvor einige Untersuchungen machen.«
    »Danke! Das ist sehr freundlich.« Isabellas Haltung blieb ablehnend. »Meinem Mann wäre das bestimmt nicht recht.«
    »Ach was!«, widersprach Jella. »Ich gehe jetzt schnell zur Kutsche und hole meine Tasche. Bis Ihr Mann kommt, sind wir längst fertig.«
    Ohne Isabellas Meinung abzuwarten, ging sie hinaus, um das Notwendige zu holen. Fritz hatte ihr erst kürzlich seine lederne Arzttasche geschenkt, die mit allen erforderlichen Instrumenten wie Hörrohr, Spritzen, einfachem Operationsbesteck und Verbandsmaterialien ausgestattet war. Zudem führte Jella noch einige Fläschchen mit selbst hergestellter Medizin mit sich, von Chinarinde gegen Malaria bis hin zu Schmerzmitteln, sowie Kräuter und Wurzeln, aus denen sie Salben und Pülverchen oder Tinkturen herstellte. Einige Rezepte hatte sie von ihrer Freundin Nakeshi, die eine Heilerin bei den Buschmännern
war. Mit ihr verband sie eine tiefe Freundschaft, die ihr selbst oft rätselhaft war.
    »Wo können wir etwas ungestört sein?«, fragte sie, als sie zurückkam. Ihr Ton duldete keine Widerrede, sodass Isabella nichts anderes übrig blieb, als ihr zu folgen. Sie deutete auf den benachbarten Salon. Jella ließ Isabella vorangehen.
    In diesem Moment ging die Eingangstür auf, und Baron Rüdiger von Nachtmahr betrat, gefolgt von seinem Sohn Achim, das Haus. Sofort änderte sich die Stimmung. Isabella blieb wie eingefroren stehen und versteifte ihre Schultern, bevor sie sich langsam umdrehte und mit einer Spur Furcht in den Augen ihren Gemahl musterte.
    »Besuch?«
    In Nachtmahrs Frage schwang neben einer gewissen Überraschung auch ein kaum zu überhörender Vorwurf. Gleichzeitig nahm er seinen verschwitzten Lederhut vom Kopf und hielt ihn seiner Frau entgegen, die sofort herbeieilte, um ihm den Hut abzunehmen. Nachtmahr sah sie dabei nicht an. Stattdessen zückte er das Monokel, um den Besuch eingehend zu mustern. Keine Begrüßung, kein Wort der Höflichkeit. Fritz war unterdessen aufgestanden und deutete eine leichte Verbeugung an, während Jella sich vor Empörung auf die Unterlippe biss. Dieser Mensch war ein Ausbund an Unhöflichkeit und Arroganz. Plötzlich durchbrach der Baron die Aura des Schweigens, indem er die feinen Antilopenlederhandschuhe laut gegen seinen Oberschenkel klatschte und betont langsam auf Fritz zuschritt. Sein Sohn Achim blieb vor der Eingangstür stehen und wartete wie ein Soldat weitere Anweisungen ab. Nachtmahr legte offensichtlich großen Wert auf Kleidung. Die beige Jagdhose war maßgeschneidert, genauso wie die taillierte, dunkelgrüne Jagdjacke. Seine Füße steckten in kniehohen Stiefeln aus feinstem, hellbraunem Wildleder. Die vornehme Kleidung stand in merkwürdigem Kontrast zu seinem sonstigen Erscheinungsbild.
Nachtmahrs Gesichtszüge waren eher von grober bäuerlicher Natur. Eine großporige Kartoffelnase ragte über einem dichten schwarzen Schnurrbart, der einen auffallend kleinen Mund zu verbergen schien. Jella hatte noch nie einen Mann mit so unglaublich starkem Bartwuchs und so vielen Haaren gesehen. Auch Hals, Arme, Handrücken und selbst die Fingerglieder waren von dichtem, schwarzem Haar bedeckt. Jella erinnerte das an einen Affen. Nachtmahr war nicht besonders groß, dafür drahtig und für sein Alter gut trainiert. Langsam kam er auf Fritz zu, setzte sich in einen

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