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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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voller Inbrunst, dass Gott sie ihm nicht nehmen würde.
    Der kleine Raffael schlief neben ihm den Schlaf der Unschuldigen.

    »Es ist also Krieg!«
    Jella richtete sich besorgt in ihrem Lehnstuhl auf. Trotz ihres zunehmenden Leibesumfangs war sie noch erstaunlich beweglich. Sie und ihr Mann saßen gemeinsam mit Alfred Knorr, der ihnen aus Imeldas Laden in Okakarara Waren und auch Zeitungen aus Windhuk geliefert hatte, auf der Veranda und diskutierten über die aktuelle Kolonialpolitik. Im Februar 1904 war Gouverneur Theodor von Leutwein faktisch seines Amtes enthoben worden. Wegen der zunehmenden Unruhen und Scharmützel im Land hatte nun der Große Generalstab in Berlin die Leitung des Feldzugs gegen die aufständischen Nama und Herero übernommen. Grund war, dass sich einige Siedler aus Deutsch-Südwestafrika beim Kaiser über die Kriegführung des Gouverneurs beklagt hatten. Sie war in ihren Augen nicht radikal genug gewesen. Außerdem befürchteten viele Weiße, dass ein vorschneller Frieden ihren eigenen Interessen zuwiderlaufen könnte. Die Rache- und Strafexpeditionen der Schutztruppen waren für viele Farmer eine willkommene Gelegenheit, die Grundeigentumsverhältnisse zu ihren eigenen Gunsten zu verändern.
    Knorr, der sich mittlerweile vom engagierten Schutztruppensoldat
zum friedliebenden Kolonialladengehilfen gemausert hatte, breitete die Windhuker Zeitung auf dem Tisch aus und klopfte mit seinem Zeigefinger auf eine kleine Mitteilung über die Ankunft des Kanonenboots Habicht, das als erste Verstärkung in Südwestafrika eingetroffen war.
    »Was dieser Kapitän Gudewill da im Gespräch mit dem Zeitungsreporter preisgibt, das trifft genau den Geschmack von vielen Siedlern hier. Lesen Sie selbst!«
    Fritz nahm die Zeitung und las vor:
    »›Der Krieg ist in ein zweites Stadium getreten. Die härteste Bestrafung des Feindes ist notwendig als Sühne für die zahllosen grausamen Morde und als Garantie für eine friedliche Zukunft. Um Ruhe und Vertrauen der Weißen herzustellen ist völlige Entwaffnung und Einziehung von sämtlichen Ländereien und Vieh einzigstes Mittel.‹«
    »Das ist ja unerhört!« Jella war erbost. »Wie kann man nur so menschenverachtend sein! Wollen die Herren Offiziere nun wirklich mit ihren Soldaten durch das Land ziehen und alle Herero, Namas, Ovambos und Buschleute in Reservate sperren? Wissen die denn nicht, was das bedeutet? Die Amerikaner haben auf diese Weise fast sämtliche Ureinwohner ihrer Heimat ausgerottet!«
    »Ich fürchte, dass es sogar zu einem Blutbad kommen könnte«, befürchtete Fritz. »Dieser Generalleutnant von Trotha scheint ein erbarmungsloser Militär zu sein. Das hat er bereits in den Kolonialkämpfen in Deutsch-Ostafrika und China bewiesen. Wie es scheint, scheint er einen ›Rassenkrieg‹ anzustreben, in dem ›die aufständischen Stämme mit Strömen von Blut‹ vernichtet werden sollen.«
    »Der will alle Kaffern töten lassen!«, pflichtete Knorr eifrig bei, ohne Jellas missfälligen Blick bei dem Wort »Kaffern« aufzufangen. Er war wieder einmal ganz in seinem Element und liebte es, mit seinem Wissen zu prahlen. »Noch an Bord der Elisabeth Woermann hat Trotha im Juni verkünden lassen, dass …
Moment, ich möchte die Stelle korrekt widergeben.« Er riss dem überraschten Fritz die Zeitung aus der Hand und suchte nach der richtigen Stelle.
    »Ja, hier steht es: ›Jeder kommandierende Offizier ist befugt, farbige Landeseinwohner, die bei verräterischen Handlungen gegen deutsche Truppen auf frischer Tat betroffen werden, z. B. alle Rebellen, die unter Waffen mit kriegerischer Absicht betroffen werden, ohne vorgängiges gerichtliches Verfahren nach dem bisherigen Kriegsgebrauch erschießen zu lassen.‹«
    Jella schüttelte fassungslos den Kopf.
    »Aber damit entmündigt man die schwarze Bevölkerung ja endgültig. Samuel, Josua und viele der Herero, Namas und Ovambos haben selbstverständlich Schusswaffen. Sie haben genauso ein Recht auf sie wie jeder andere hier auch. Stellt euch nur vor, sie treffen aus Versehen mit der Waffe in der Hand auf Soldaten. Sie könnten dann sofort standrechtlich erschossen werden. Das darf man doch nicht zulassen!«
    »Ich fürchte nur, dass die meisten Farmer das ganz anders sehen«, gab Fritz zu bedenken. Es widerstrebte ihm zutiefst, was im Moment im Land vor sich ging. Seine Erlebnisse im Burenkrieg steckten noch zu tief in ihm. Er hatte damals nicht nur den Verlust seines Vaters zu verschmerzen gehabt, sondern

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