Sehnsucht nach Owitambe
ihm notfalls mit dem Gewehr Deckung zu geben.
Fritz holte sich das lange Rohr aus der Kutsche und wählte aus einer Schachtel eine passende Betäubungspatrone. Die Vorrichtung war eine von Jellas Erfindungen, auf die sie besonders stolz war. Das Prinzip bestand darin, einem Tier aus sicherer Entfernung eine Spritze zu verabreichen und es damit zu betäuben. So konnte Fritz in Ruhe und ohne Gefahr kranken Tieren helfen. Jella hatte zufällig die Kinder auf der Farm dabei beobachtet, wie sie mit dem Mund durch ein hohles Schilfrohr Steinchen auf einen Baum schossen. Dieses Prinzip schien ihr geradezu ideal, um es auch auf größere Tiere anzuwenden. Das Blasrohr musste nur groß genug sein, dass man durch seine
Öffnung eine eigens präparierte Spritze, die mit einem genau dosierten Betäubungsmittel gefüllt war, auf das Opfer schießen konnte. Das klang sehr einfach. Doch Jella hatte einige Schwierigkeiten gehabt, bevor die Umsetzung gelang. Anfangs blieb die Betäubungspatrone immer wieder im Blasrohr stecken. Außerdem musste Jella die Spritze so modifizieren, dass sie beim Eindringen in die Haut abbrach, damit das Betäubungsmittel in den Kreislauf des Tieres gelangen konnte. Es hatte vieler vergeblicher Versuche bedurft, bevor Jellas Erfindung endlich funktionierte. Mittlerweile war sie so weit ausgereift, dass sie drei unterschiedliche Patronenarten entwickelt hatte, für kleine, mittlere und große Tiere. Der Haken war nur der, dass sie noch nie ein so großes Tier wie einen Elefanten betäubt hatten. Jella war sich plötzlich gar nicht mehr sicher, ob die Dosis wirklich ausreichen würde.
»Sei vorsichtig«, bat sie Fritz. »Selbst wenn der Elefant umfällt und liegen bleibt, kann es sein, dass er gleich wieder aufwacht. Sobald er sich regt, musst du so schnell wie möglich verschwinden.«
Fritz küsste Jella zärtlich auf die Stirn.
»Hab keine Angst«, meinte er vergnügt. »Ich bin schon mit ganz anderen Situationen zurechtgekommen.«
Jella ließ Fritz keinen Moment aus den Augen. Das Gewehr neben sich, beobachtete sie ihren Mann durch das Fernglas. Sie sah, wie er sich weiträumig dem Elefanten näherte und schließlich in einem Rosinengebüsch Deckung fand. Der Elefant hatte unterdessen davon abgelassen, weitere Bäume zu malträtieren. Instinktiv schien er zu spüren, dass noch jemand in der Nähe war. Misstrauisch in die Gegend äugend, stand er vor einer Akazie und wartete auf einen neuen Gegner. Für Fritz war es unmöglich, aus dem Gebüsch heraus auf den Elefanten zu zielen. Er musste frei stehen, um sicher zielen zu können. Außerdem funktionierte das Blasrohr nur aus kurzer Distanz. Deshalb wartete
er, bis ihm der Bulle sein Hinterteil zuwandte. Langsam, ohne ein Geräusch zu verursachen, schälte er sich aus der Deckung. Gleichzeitig schob er vorsichtig die Patrone in den Lauf des Blasrohrs. Er hatte stundenlang damit geübt und war sich ziemlich sicher, dass er treffen würde. Die Patrone durfte nur nicht im Rohr stecken bleiben. Er setzte das Blasrohr auf seinen Armstumpf auf, zielte und blies die Patrone in Richtung des Bullen. Die Spitze blieb wackelnd in dessen Hinterteil stecken. Jetzt musste nur noch das Betäubungsmittel in seinen Blutkreislauf gelangen. Fritz zog sich eilig in seine Deckung zurück. Der Elefant drehte sich irritiert um und lugte angriffslustig um sich. Sein Rüssel nahm offensichtlich Fritz’ Witterung auf, denn er bewegte sich plötzlich zielstrebig auf das Rosinengebüsch zu. Jella hielt den Atem an. Für den riesigen Bullen war das lächerliche Gestrüpp kein Hindernis. Doch plötzlich blieb er stehen und fing an zu wanken. Er versuchte sich dagegen zu wehren, doch dann knickten seine Vorderbeine ein, und er sank zur Seite. Zum Glück wartete Fritz noch eine ganze Weile ab, bevor er sich dem Koloss näherte. Jella wäre am liebsten zu ihm gelaufen, um ihm zu helfen. Sie wollte allzu gern untersuchen, inwieweit das Betäubungsmittel den Elefanten wirklich außer Gefecht gesetzt hatte, aber dann erinnerte sie sich wieder an ihr Versprechen und beobachtete aus sicherer Distanz, wie sich ihr Mann an dem Tier zu schaffen machte. Trotz seiner Behinderung hantierte er mit sicheren Handgriffen an dem Zahn und dem Mund des Elefanten herum. Die Entfernung war leider zu groß, als dass sie Genaueres hätte erkennen können. Warum brauchte er nur so lange? Jella wurde langsam unruhig. Die Betäubung würde mit Sicherheit bald nachlassen. Bewegte sich da nicht schon ein
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