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Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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natürlich ohne Ergebnis.
    »Das Feuer muss von einem neidischen Deutschen gelegt worden sein«, beschied man Malu auf der Wache. »Letten tun so etwas nicht.«
    Danach stand Malu in ihrem verwüsteten Laden, betrachtete die verkohlten Stoffe, hielt ihr angesengtes Buch mit den Entwürfen im Arm und dachte: Ich stehe vor dem Nichts . So also fühlt sich das an. Ich habe nichts mehr. Nicht einmal ein Dach über dem Kopf.
    Man hatte ihr gesagt, dass Laden und Wohnung nicht mehr benutzbar wären, da der Brand die Balken angesengt hatte.
    Also ließ sie den Blick ein letztes Mal durch ihren Laden schweifen und verließ ihn dann, mit nichts in der Hand als ihrem Entwurfsbuch. Sie ging ohne Kleider, ohne Möbel, ohne jeglichen Besitz. Aber als sie ging, waren ihre Schritte leicht. Es ist, dachte sie, als ginge ich in ein neues Leben. Es ist, als hätte ich die Chance bekommen, alles noch einmal zu machen. Und zwar besser.
    Das Schöne aber war, dass sie wusste, wohin sie gehen konnte. Dass es jemanden gab, dem ihr Besitz und ihr Stand nichts zählte, der sie und ihr Kind aufnahm und schützte und hielt.
    Ich habe mehr gewonnen, als ich verloren habe, dachte Malu, und zum ersten Mal seit vielen Jahren fühlte sie sich frei, unbeschwert und zugleich geschützt und geborgen.

Zweiunddreißigstes Kapitel
    Riga, 1923
    A m Morgen der Hochzeit, die nur standesamtlich geschlossen werden sollte, brachte der Postbote einen Brief von Isabel von Ruhlow.
    Malu stand gerade vor dem Spiegel und schlüpfte in das Kleid, das sie sich zur Hochzeit genäht hatte. Es war im griechischen Stil gehalten, unter der Brust mit einem grünen Band gerafft. Ihre zukünftige Schwägerin Esther stand hinter ihr und steckte ihr das Haar auf.
    »Willst du ihn nicht lesen, den Brief? Bestimmt sind es Hochzeitsglückwünsche.«
    Malu schüttelte den Kopf. »Ich lese ihn später. Niemand in Berlin weiß, dass ich heirate. Wahrscheinlich braucht jemand Geld.« Sie lachte. »Aber ich habe keines mehr. Nicht einen Rubel, nicht eine Mark. Also kann ich den Brief auch später lesen.«
    Esther kniff den Mund leicht zusammen. Sie war eine hilfsbereite junge Frau, gerade mal siebzehn Jahre alt. Und sie bewunderte Malu. »Vielleicht hast du jetzt gerade nicht viel Geld, aber mit deinen Kleidern wirst du sehr bald wieder reich sein«, sagte sie.
    Malu zuckte mit den Schultern. »Das ist es nicht, was ich will. Reich sein. Nein, das ist es nicht.«
    »Was willst du dann?«
    Malu wandte sich zu der jungen Frau um. »Ich möchte ein Zuhause haben. Einen Ort, an den ich gehöre, einen Platz, der zu mir gehört.«
    Esther neigte leicht den Kopf nach links. »Ja, aber all das wäre noch schöner, wenn man viel Geld dabei hätte.«
    Wieder verneinte Malu. »Geld macht nicht glücklich. Wirklich nicht. Es verkompliziert nur alles, macht abhängig. Verstehst du das?«
    Esther schüttelte den Kopf.
    Malu legte einen Arm um ihre zukünftige Schwägerin und küsste sie leicht auf die Wange. »Es ist gut, dass du es nicht verstehst. Aber glaub mir, es ist so. Ich wollte nicht ohne einen Heller in diese Ehe gehen. Ich hatte noch Geld. Viel Geld. Hier auf einem Konto in Riga.« Sie breitete die Arme aus. »Aber das ist weg.«
    »Weg? Wo ist es hin?«
    Malu dachte daran, wie sie auf der Bank gewesen war. Mit glühenden Wangen. Sie wollte ihre gesamten Ersparnisse abheben, auch das Geld der alten Tante. Sie wollte ein neues Haus kaufen, eines, das gegenüber dem Park lag, damit Viola frische Luft hatte. David und sie hatten das Haus besichtigt, die Verträge waren aufgesetzt, es musste nur noch bezahlt werden.
    Aber der Bankangestellte sah sie nur mitleidig an. »Es tut mir leid, Frau von Zehlendorf, aber Ihr Vermögen ist aufgebraucht.«
    »Aufgebraucht? Wie kann es aufgebraucht sein, wenn ich doch nichts davon angerührt habe! Im Gegenteil. Ich habe mehrfach Geld aus Berlin hierhergeschickt.«
    Der Angestellte blätterte in seinen Unterlagen. »Ja, das ist richtig. Einmal eintausend Mark, dann noch einmal zweitausend Mark und so weiter. Aber auch davon ist nichts mehr übrig.«
    Malu konnte noch immer nicht glauben, was sie da hörte. »Wo ist das Geld hin?«
    Der Bankangestellte blätterte wieder in seinen Unterlagen. »Cäcilie von Zehlendorf hat es abgehoben und nach Berlin weitertransferiert.«
    »Meine Mutter?«
    Der Bankangestellte nickte. »Ja, sie besaß eine Vollmacht, ausgestellt von Camilla von Zehlendorf.«
    »Aber Camilla von Zehlendorf ist schon lange tot!« Malu

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