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Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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konnte es nicht fassen.
    »Das ist nicht von Belang. Bankvollmachten behalten ihre Gültigkeit über den Tod hinaus, wenn dies so gewünscht wird. Und in diesem Falle war es so.« Der Mann schlug seine Unterlagen zu. »Wenn ich sonst noch etwas für Sie tun kann?«
    Malu nickte. »An wen hat meine Mutter das Geld geschickt. An wen in Berlin?«
    »Das darf ich Ihnen leider nicht sagen. Bankgeheimnis.«
    »Ich verstehe. Und ich will Sie auch nicht in Schwierigkeiten bringen. Also werde ich einen Namen sagen, und Sie brauchen nur zu nicken.«
    Der Mann sah sich nach allen Seiten um. »Das ist gegen die Vorschrift!«, erklärte er.
    »Ich habe gerade mein gesamtes Vermögen verloren. Davor ist mir der Laden abgebrannt worden. Ich stehe vor dem Nichts.«
    Der Mann seufzte.
    »Ruppert von Zehlendorf?«
    Wieder sah sich der Bankangestellte nach allen Seiten um, dann nickte er.
    »Danke.«
    Der Mann seufzte. »Das mit Ihrem Laden tut mir sehr leid«, flüsterte er. »Aber denken Sie daran: Wiederaufbau ist der Anfang eines neuen Krieges. Hat mein Vater immer gesagt.«
    »Grüßen Sie ihn von mir, Ihren Vater«, hatte Malu erwidert und war aus der Bank geeilt. Ihr nächster Weg hatte sie hinauf zum Stift geführt.
    Ihre Mutter war mittlerweile in einem größeren und helleren Zimmer untergebracht worden. Auch ihre Wäsche wirkte gepflegter, das Haar war geschnitten. Trotzdem nahm die Nonne von der Rezeption Malu zur Seite. »Schon wieder stehen die Zahlungen von drei Monaten aus«, erklärte sie vorwurfsvoll.
    Malu zuckte mit den Schultern. »Das ist nicht mehr mein Problem. Wenden Sie sich an meinen Bruder.«
    »Aber das haben wir! Wir haben sogar nach Berlin geschrieben und keine Antwort erhalten.«
    »Tja. Das tut mir leid. Ich kann nichts mehr für meine Mutter tun.«
    Die Nonne zog die Augenbrauen in die Höhe. »Wenn nicht innerhalb der nächsten vierzehn Tage der Betrag eingeht, müssen wir Ihre Mutter ins Armenhaus geben.«
    Malu lächelte zum ersten Mal an diesem Tag. »Tun Sie das«, sprach sie. »Sie brauchen damit auch gar nicht noch zwei Wochen zu warten. Ich versichere Ihnen, dass kein Geld eingehen wird. Bringen Sie sie heute noch weg. Es ist Ihr gutes Recht, und sie hat es nicht anders verdient.«
    Die Nonne wirkte erschüttert. »Aber das vierte Gebot.«
    Malu nickte. »Ich weiß, du sollst Vater und Mutter ehren. Wir hatten das Thema schon einmal. Aber steht nicht auch in der Bibel: Auge um Auge, Zahn um Zahn? Glauben Sie mir, meine Mutter hat mir sehr viel mehr als nur die Zähne ausgeschlagen.«
    Sie ließ die verdutzte Nonne stehen und eilte zum Zimmer ihrer Mutter. Wie schon bei ihrem ersten Besuch saß Cäcilie am Fenster und schaute hinaus.
    »Mach die Tür zu!«, herrschte sie Malu noch vor einer Begrüßung an. »Es zieht! Soll ich mich vielleicht erkälten?«
    »Ist mir egal«, entgegnete Malu. »Ich will nur wissen, warum du das Geld, das mir Camilla vererbt hat, und zudem noch meine eigenen Ersparnisse an Ruppert geschickt hast.«
    Die Mutter sah sie an ohne einen Funken Schuld im Blick. »Du hast es nicht verdient«, erwiderte sie knapp. »Du hast sie getötet.«
    »Nein. Das habe ich nicht. Ruppert war es. Und du weißt das auch.«
    Die Mutter zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Er hat es gebraucht. Du hättest heiraten können.«
    »Mutter!« Beim harschen Klang von Malus Stimme zuckte die alte Frau zusammen. »Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass ich heirate. Einen Arzt aus Riga. Du siehst mich heute zum letzten Mal. Und nicht nur mich. Auch dieses Zimmer siehst du heute zum letzten Mal. Deine Rechnungen wurden nicht bezahlt. Die Nonnen haben beschlossen, dich ins Armenhaus zu geben.«
    Cäcilie von Zehlendorf riss die Augen auf. »Nein. Das ist nicht wahr. Das sagst du nur, um mich zu erschrecken!«
    »Warte ab.« Leise schloss Malu die Zimmertür hinter sich.
    Esther zupfte sie am Ärmel. »Das ganze Geld einfach weg?«
    Malu nickte.
    »Wer hat es?«
    »Mein Bruder.«
    »Willst du es dir nicht zurückholen?«
    Malu schüttelte den Kopf. »Warum sollte ich? Nichts ruiniert einen Menschen mehr als Geld. Geld ist ein Verderben. Mein Bruder wird das auch noch lernen müssen.« Sie lächelte der Schwägerin zu und ließ sich das Haar aufstecken.
    Die Hochzeit war nicht besonders feierlich. Malu betrat allein das Standesamt, sie trug nur Viola auf dem Arm. Esther würde ihre Trauzeugin sein. Für David zeugte ein alter Freund. Außer ihnen war nur noch Davids Mutter gekommen. Sie weinte

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