Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)
bis zu meinem Tode ähneln.«
»Und nun? In Berlin? Was wirst du hier tun?«
Wieder zuckte Constanze nur mit den Schultern. »Ich weiß es nicht.« Sie sah auf ihren Rockschoß. »Ich weiß, dass ich nichts zum Lebensunterhalt beitrage. Wenn du willst, dann suche ich mir noch heute eine Arbeit.«
Malu lachte auf. »Was für eine Arbeit willst du finden? Es gibt Abertausende von Arbeitslosen!«
»Ich weiß es nicht. Ich könnte vielleicht in einem Büro arbeiten, dachte ich, aber dort werden sicher nur junge Mädchen gesucht, die mit einer Schreibmaschine umgehen können. Hauslehrerinnen und Gourvernanten dagegen scheint in Berlin niemand zu benötigen.«
Malu wandte sich der Freundin zu, sah ihr direkt ins Gesicht. »Constanze, es geht mir nicht um das Geld. Meinetwegen musst du nicht arbeiten. Ich kann mir gut eine Gesellschafterin leisten. Es geht mir um dich. Um dein Leben, deine Zukunft. Was hast du vor? Wie möchtest du in zehn Jahren leben? Noch immer hier mit mir in diesem Loch?«
Constanze schüttelte den Kopf. »Ich würde gern heiraten und Kinder haben, versorgt sein.«
Malu nickte. »Dann ist es gar nicht schlecht, dass du meinen Namen benutzt. Wir werden es ab heute so halten, dass du Marie-Luise von Zehlendorf bist und ich Constanze Mohrmann.«
Constanze riss die Augen auf. »Aber warum? Was bringt uns das?«
Malu lächelte ein wenig. »Es bringt jede von uns ihrem Ziel ein Stück näher.«
Constanze blickte so verständnislos drein, dass Malu auflachte. »Es ist ganz einfach. Du möchtest dich amüsieren, möchtest einfach nur leben. Das kannst du als Marie-Luise von Zehlendorf besser denn als Constanze. Und ich möchte arbeiten. Einen Namen dafür brauche ich nicht. Du wirst dich in der Gesellschaft tummeln, wirst meine Kleider tragen und mir auf diese Art helfen, Geld zu verdienen. Verstehst du?«
»Du meinst, ich soll als dein Kleider-Mannequin auftreten und dir so zu Kunden verhelfen?«
»Ganz genau. Aber nur, wenn du das auch möchtest, Constanze. Und vielleicht lernst du dabei ja den Mann deiner Träume kennen.«
Constanze lachte bitter auf. »Und wenn er ernsthafte Absichten hegt und ich ihm dann sagen muss, wer ich wirklich bin, wird er mich fallen lassen. Und ich stehe noch dümmer da als jetzt.«
»Ach was!« Malu winkte ab. »Wenn er dich wirklich liebt, ist ihm dein Name gleichgültig. Und wenn er es nur auf den Namen abgesehen haben sollte, so kannst du ihn ohnehin gleich vergessen. Also, was ist? Bist du einverstanden?«
Constanze starrte auf den Stoff ihres Rockes. Schon wieder sollte sie etwas entscheiden. Woher sollte sie wissen, ob Malus Vorschlag gut und richtig war? Aber was sollte sie sonst tun? Constanze nickte zaghaft.
Malus Wangen hatten sich vor Eifer gerötet. »Wunderbar«, erklärte sie. »Dann mach dich ein wenig frisch, wir haben heute noch viel zu tun.«
Erschrocken sah Constanze auf. »Was denn?«
»Du brauchst eine neue Frisur. Die Kleider kann ich dir nähen. Das muss ich sogar. Aber du benötigst Strümpfe, einen Hut, ein wenig Zierrat. Das muss alles gekauft werden. Wenn du dich in ein paar Stunden im Spiegel betrachtest, wirst du dich nicht wiedererkennen.«
»Ich werde also eine andere sein«, stellte Constanze fest und nickte. Und schon wieder wusste sie nicht, ob es das war, was sie wollte. Plötzlich fiel ihr der Brief von Lothar von Hohenhorst ein. Sie hatte ihn in die Rocktasche gesteckt. Jetzt holte sie ihn hervor, glättete ihn mit der Hand.
»Was ist das?«, fragte Malu.
»Ein Brief von Lothar.« Constanze drehte das Papier in den Händen.
»Na los, mach ihn auf. Es ist sicher eine neue Einladung.«
Vorsichtig riss Constanze das Schreiben mit dem Zeigefinger auf. Kurz bewunderte sie den gefütterten Umschlag mit dem Wasserzeichen, dann entnahm sie den Brief und las.
»Was schreibt er?« Malu rutschte ungeduldig auf dem Stuhl herum.
»Du hast recht. Es ist eine Einladung. Für Samstag. Lothar von Hohenhorst gibt sich die Ehre, mich zu einer kleinen privaten Feier im Kreise lieber Freunde einzuladen. Ich soll ihm mitteilen, wo das Automobil mich abholen soll.«
Sie ließ das Blatt sinken. »Ein Automobil. Stell dir vor, er hat sogar ein Automobil!«
»Schön für ihn.« Malu blieb unbeeindruckt. »Heute ist Donnerstag. Wir haben noch viel vor.«
»Und was soll ich ihm zurückschreiben? Er kann das Automobil unmöglich hierher nach Spandau schicken. Er darf nicht sehen, wo und wie wir hier leben.«
Einen Augenblick lang war Malu
Weitere Kostenlose Bücher