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Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Riga: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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nicht Fräulein?«
    »Der gnädige Herr ist für Volk und Vaterland gefallen.«
    »Ah.« Constanze fühlte sich noch ein wenig schlechter. Sie wusste nicht mehr so genau, was in der letzten Stunde gestern Nacht geschehen war. Sie hatte getanzt. Und auf einmal war es vorbei gewesen.
    »Wo ist denn Herr von Hohenhorst?«, fragte sie schüchtern.
    »Der gnädige Herr ist bei sich zu Hause. Er lässt Ihnen ausrichten, dass er in einer Stunde hier sein wird, um Sie zu Ihrem Hotel zu begleiten, wie es sich für einen anständigen Herrn gehört.« Der Bedienstete reichte Constanze einen Brief. »Er hat diese Nachricht für Sie hinterlassen.«
    Constanze sprang mit beiden Beinen von der Ottomane. Sie schämte sich in Grund und Boden, auch wenn der Bedienstete so tat, als weckte er jeden Tag junge Frauen auf den Ottomanen seiner Herrschaft. Wenn ihre Mutter das wüsste!
    Constanze griff nach dem Brief. »Würden Sie mir bitte eine Droschke herbeiholen?«
    Der Mann verbeugte sich. »Stets zu Diensten.«
    Als er verschwunden war, suchte Constanze nach einem Stift und einem Bogen Papier. Sie fand beides auf einem kleinen Tisch im Korridor. Schnell schrieb sie ein paar Zeilen an Frau von Ruhlow, in denen sie sich zugleich entschuldigte und bedankte. Dann eilte sie die Treppe hinab.
    »Ihre Droschke wartet vor dem Haus.«
    Mit schamrotem Gesicht dankte Constanze auch dem Diener und sprang rasch in die Droschke. Sie atmete erst auf, als sie die Fasanenstraße und den Kurfürstendamm hinter sich gelassen hatten und in Richtung Spandau fuhren.
    »Willst du gar nicht wissen, wieso ich erst jetzt nach Hause komme?« Sie war ein wenig beleidigt, dass Malu sie nicht ausfragte.
    »Du bist alt genug, um zu wissen, was du tust«, erwiderte Malu über das Rattern der Nähmaschine hinweg.
    Alt genug, dachte Constanze. Nein, ich bin nicht alt genug. Ich bin für gar nichts alt genug.
    Malus Desinteresse ärgerte sie so sehr, dass sie herausplatzte: »Ich habe mich als Marie-Luise von Zehlendorf ausgegeben.«
    Jetzt verstummte die Nähmaschine. Malu drehte sich endlich um und sah Constanze fragend an.
    »Da war ein Mann auf der Straße, der mir behilflich sein wollte. Wir unterhielten uns, und es stellte sich heraus, dass er Balte ist. Lothar von Hohenhorst.«
    »Hohenhorst? Hohenhorst … Hohenhorst«, Malu überlegte. »Den Namen habe ich schon gehört. Die Hohenhorsts müssten ihr Gut an der Grenze zu Estland gehabt haben.« Sie zuckte mit den Schultern. »Gewiss sind auch sie enteignet worden und leben nun bei Verwandten.«
    »Es ist ihnen gelungen, ihr Geld zu retten. Sie sind sehr reich.« Constanze sagte das in einem Tonfall, als müsste sie Lothar von Hohenhorst verteidigen.
    Aber Malu fädelte bereits wieder einen Faden in eine Nadel. »Das freut mich für sie.«
    »Er hat mich mit zu einem Fest genommen«, erzählte Constanze weiter und wurde dabei merklich lauter. »Ich habe Champagner getrunken und Charleston getanzt. Es waren viele Leute da. Und irgendwann bin ich auf einer Ottomane eingeschlafen.«
    »Dann wirst du jetzt sicher müde sein«, erwiderte Malu. »Du kannst gleich in Ruhe schlafen, ich muss etwas besorgen.«
    Noch immer klang ihre Stimme so unbeteiligt, dass Constanze vor Empörung nach Luft schnappte. »Kümmert dich denn nichts als deine Näherei?«, rief sie aus. »Ist es dir sogar egal, dass ich mich für dich ausgegeben habe?«
    Malu stand auf, setzte sich neben Constanze auf das Bett und griff nach ihrer Hand. »Es ist mir nicht gleichgültig, was du tust. Aber du bist erwachsen. Es ist dein gutes Recht, so zu leben, wie du magst. Ich bin nicht deine Mutter, auch nicht dein Ehemann. Tu, was du willst. Aber sei vorsichtig.«
    Constanze wusste genau, dass Malu recht hatte. Aber sie wollte nicht erwachsen und verantwortlich sein. Sie brauchte so dringend jemanden, der ihr sagte, was sie tun sollte.
    »Und das mit deinem Namen?«
    Malu lächelte ein wenig und starrte versonnen an die gegenüberliegende Wand. »Vielleicht war deine Idee gar nicht so unbesonnen. Nein, ich glaube, das war ein richtig guter Schachzug.«
    Constanze schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht, was du meinst.«
    Malu griff wieder nach Constanzes Hand. »Was hast du vor in deinem Leben?«, fragte sie. »Warum bist du mit mir nach Berlin gekommen?« Sie hatten nie darüber geredet.
    Constanze zuckte mit den Schultern. »Ich habe es zu Hause nicht mehr ausgehalten. Jeder Tag war gleich. Ich dachte, wenn ich nicht fortgehe, werden sich die Tage

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