Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)
Heimlichkeiten in ihrer Kommunikation gewöhnt. Ihren Code der Blicke und Gesten. Manchmal schwebt das, was unausgesprochen blieb, noch über ihnen und lädt die Atmosphäre auf, wie die Spannung, die man vor einem Gewitter in der Luft spürt.
»Sie reden wie ein Geologe, Mr. Wright«, bemerkt Henry mit unbefangenem Lächeln.
Vor ihnen führt der Weg hinunter in dichtes Buschland, ehe er sich zur ausgesetzten, von Gras bestandenen Landenge des Kaps hin öffnet. Nathaniel verschwindet im Dickicht aus Teebaumsträuchern und Banksien. Er ist das ständige Versteckspiel leid, vor allem vor dem Jungen. Und es ist einfacher, so zu tun, als hätte er nichts gehört. Rasch durchquert er den Strauchtunnel, um möglichst schnell wieder ins Freie zu gelangen.
Weil sie auch hier wie gewohnt ihren Feldstudien nachgehen, kommen Henry und Jemma langsamer voran. Jemma bleibt stehen, um die klaffenden kleinen Münder der Banksia-Samenkapseln zu studieren, und ruft Henry herbei. Ein Stück weiter erspäht sie ein paar Stängel hier heimischer Orchideen und fügt sie dem Strauß Kangaroo Paw hinzu, die sie in der Absicht gesammelt hat, sie zwischen Buchseiten zu pressen. Sie merkt gar nicht, wie weit sie zurückgefallen sind, bis sie einen Schrei von Nathaniel hören, der aus ziemlicher Entfernung zu kommen scheint. Sie beschleunigen ihren Schritt, bis sie an eine Weggabelung kommen, wo sie erst zögern und dann den Weg einschlagen, der in die richtige Richtung zu führen scheint, sich aber bald schon in undurchdringlichem Gebüsch totläuft. Als sie kehrtmachen, hören sie Nathaniel erneut rufen. Diesmal ist es nicht nur ein entsetzter Aufschrei, verursacht durch ein plötzliches Missgeschick, sondern ein schmerzerfüllter Hilfeschrei.
Anfangs merkt Jemma es gar nicht – bis Henry, der vorausgeht, sich mit einem fragenden Blick nach ihr umblickt. Nathaniel ruft sie bei ihrem Namen. Ihrem richtigen Namen.
Sie spähen über den Rand des Dinosauriernackens und entdecken Nathaniel auf halber Höhe der bröckelnden Klippe. Unter ihm befindet sich ein Felsplateau, gegen das die Wellen anbranden und zusammenbrechen und hohe Gischtfontänen nach oben schicken. Er schreit ihnen zu, dass er sich seinen Knöchel verstaucht oder gebrochen habe, als er auf losem Geröll ausgerutscht ist. Nun könne er sich ohne Hilfe nicht mehr bewegen und seinen rechten Fuß nicht mehr belasten.
Über die Steilwand der Klippe führt kein Weg, der diesen Namen verdient hätte, und Henry legt den Weg über den bröckeligen Abhang im Krebsgang zurück. Als er Nathaniel erreicht hat, legt dieser seinen rechten Arm auf die Schulter des Jungen, und so gestützt machen sie sich gemeinsam an den langsamen Aufstieg. Vorsichtig humpeln sie nach oben, wobei sie im Zickzack die Steilwand erklimmen, immer auf der Suche nach einem flachen Stück und etwas Bewuchs, an dem sie sich festhalten können. Oben angekommen besteht Nathaniel darauf, dass Jemma und Henry allein losziehen und die Landzunge erkunden, damit sie auch alles sehen können. Wäre er nicht so dumm und ungeduldig gewesen, nach unten zu kommen, sagt er, hätte er bestimmt einen sicheren Pfad hinunter zum Strand finden können.
Jemma und Henry wandern um den Sockel des Leuchtturms, von wo aus man die blaue Weite der Bass Strait überblicken kann. Direkt unter dem Leuchtturm befindet sich eine Felsformation, die wie ein gefährlich über die Klippe ragendes Schloss aussieht. Sie klettern über die Landenge vor bis zum Kopf des Kaps, wobei sie kleine Steinlawinen lostreten, die hinunter ins Meer purzeln. Hier weht der Wind stärker. Und Henry streckt seine Arme aus wie eine Vogelscheuche und lässt sich von den südlichen Böen durchrütteln, die an seinen Kleidern zerren. Sein Blick fällt hinunter auf das weiß schäumende Wasser, das um die äußerste Felsnase wogt, die den Namen Pulpit trägt, und auf die Wellen, die es gegen die Felsen drängt. Er fragt sich, wie es wohl wäre, sich von dieser Klippe zu stürzen, sich in den Elementen zu verlieren und inmitten dieser wilden Großartigkeit zu sterben, anstatt langsam und qualvoll dahinzusiechen, wie er das bei seiner Mutter mit hatte ansehen müssen.
»Wir sollten gehen, Henry.«
Henry muss lächeln, weil Mrs. Wright offenbar seine Gedanken gelesen hat. Jemma , sagt er sich. Jemma . So durchgeblasen er auch vom Wind ist, fühlt er sich doch seltsam warm und sicher. Er fragt sich, ob dies das Gefühl ist, verliebt zu sein.
»Warum hat Mr. Wright Sie
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