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Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Capp
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zweifeln. Allein Gotardo kennt die Wahrheit.
    Marcus O’Brien wird in diesen Artikeln oft zitiert und schürt die Spekulationen, wo er nur kann. Je mehr Jemma liest, umso mehr ist sie davon überzeugt, dass er nie aufgeben wird.

42
    Eingehüllt in den Chiffonschleier des Mondlichts liegen sie wach im Bett und warten darauf, dass der Wecker läutet. Nathaniel spürt Jemmas Arm an seinem, wo die zarten Härchen seine berühren. Er sieht sie beide von oben: einen Ritter und seine Dame auf einer mittelalterlichen Grabplatte. Hätte er die Gewissheit, dass sie ihre Tage auf diese Weise beenden würden, könnte er fast alles ertragen. Aber es gibt keine Sicherheit in ihrer zerbrechlichen Ehe, die sie vollziehen, wenn sie in der Dunkelheit übereinander herfallen und sich die Masken wegreißen, die sie als Mr. und Mrs. Jonathan Wright tragen müssen.
    Während des Tages spürt Nathaniel, wie diese ständige Wachsamkeit sich aufbaut, die beide jedes Wort auf die Goldwaage legen lässt, bevor es ausgesprochen wird, um bloß nicht zu viel preiszugeben. Jedes Gespräch, das Jemma und er im Haus und um das Anwesen herum führen, vollzieht sich wie auf der Bühne. Dieser Kampf, in Blicke und Gesten mehr hineinzulegen, als ihre Worte auszudrücken vermögen. Früher einmal hätte er darin das perfekte Aphrodisiakum gesehen – ein Liebespaar, das als Mann und Frau posiert –, wäre dieses Spiel nicht so anstrengend und gäbe es nicht das Leid und die Schuld und die Angst, entdeckt zu werden.
    Wie in einem Tableau haben nur die Augenblicke Bestand. Jemmas verzerrtes Gesicht im Mondlicht, das eher an das einer Frau erinnert, die ausgepeitscht als geliebt wird. Ihre nach hinten gerollten Augäpfel, die Zähne gebleckt wie ein Wolf. Das tiefe, urwüchsige Gurgeln, das wie Gift, das ausgespien werden muss, ihrer Kehle entsteigt. Nathaniel, der sich mit gekräuselten Lippen und hungrigem Funkeln an diesem gequälten Schrei weidet und mit seinem darauf antwortet. Wobei die blaue Flamme seiner Augen implodiert und sein angespannter Körper wie ein Hammer dazu getrieben wird, immer und immer wieder niederzugehen. Bilder von Körperteilen, die von den Schatten abgetrennt werden. Bilder, die nicht aus ihrer Zeit sind. Bilder, vor denen selbst sie zurückschaudern, wenn die Nacht vorüber ist.
    In der Stille danach sehen sie einander an und fragen sich, was sie besessen hat. Wenn Jemma sich auf ihre Seite dreht, bildet Nathaniel sich ein, sie würde vor ihm zurückschrecken, vor diesem Mann, der nicht ihr Ehemann ist, diesem Mann, den sie kaum kennt. Er bildet sich ein, dass sie sich nach Gotardo in seinem leeren Bett sehnt. Und so liegt er da und starrt die Zimmerdecke an und versucht die unerklärliche Wende des Schicksals zu begreifen, das sie hierher geführt hat, Seite an Seite und doch allein.
    Und ehe er sie aufhalten kann, ist Jemma schon aus dem Bett gesprungen und erfrischt am Waschstand ihr Gesicht. Nathaniel beobachtet sie, indem er heimlich unter dem Quilt hervorlugt – die Wölbung ihrer Brüste, ihr langes, lose fallendes Haar, das bei jedem Schritt mitschwingt –, und wünscht sich, er könnte sie zurücklocken. Wenn sie im Bett zusammenliegen, dann ist wenigstens noch Hoffnung für sie. Mit dem Trost ihres Körpers vermag er fast daran zu glauben, dass ihre Liebe nicht so verdammt ist, wie sie sich anfühlt. Aber sobald sie das Bett verlassen hat, hat sie sich auch von ihm entfernt. Sie ist jemand, den er nicht kennt. Ist ernst und zurückhaltend, als hätte es ihre Nächte nie gegeben. Als wäre der Tag mit dem Veloziped tatsächlich nur ein Traum.
    Er muss an etwas denken, das sie ihm neulich gesagt hat. Nämlich, dass sie sich oft fragt, warum er es getan hat. Warum er alles aufgegeben und sich zu einem Mann gemacht hat, nach dem gefahndet wird.
    Dass sie darauf eine Antwort brauchte, fand er unbegreiflich. »Du weißt, warum ich es getan habe.«
    »Aber du wirst es bestimmt bedauern.«
    »Wie kann ich dir das nur begreiflich machen, Jemma? Ich habe alles, was ich will!«
    »Tatsächlich?« Sie sah ihn verzweifelt an. »Willst du das wirklich? Eine Frau wie mich? Die ihren Mann verlassen und ihn ganz allein damit gelassen hat, das gemeinsame Kind zu begraben? Einen erbärmlichen Feigling wie mich?«
    Da war Nathaniel klar geworden, worum es ihr ging. Welche Hoffnung konnte es schon für sie geben, wenn sie sich selbst – oder ihm – nicht verzeihen konnte, was sie getan hatten?
    Jemma zieht sich im Mondlicht an,

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