Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Capp
Vom Netzwerk:
zu haben, ist ihr Mr. Feehans forensische Arbeit doch noch allzu frisch im Gedächtnis, und sie kann die Begeisterung ihres Ehemanns nicht ganz teilen. Mr. Feehan zeigt ihnen eine Reihe von Hintergründen, und sie einigen sich auf eine Szenerie mit alten Ruinen, überwachsen von Blütenranken.
    »Wir haben auch Kostüme, passend zum römischen Flair«, meint Mr. Feehan.
    Gotardo ist fast versucht, ja zu sagen, bis er Jemma die Augen verdrehen sieht. »Vielleicht ein andermal.« Für seine Eltern werden sie sich in ihren Kleidern ablichten lassen.
    Mr. Feehan erklärt ihnen, dass der von ihnen gewählte Hintergrund einen zwanglosen, jedoch klassischen Bildaufbau verlange. Er weist Jemma an, sich neben eine Steinsäule zu stellen und das Kind Gotardos geöffneten Armen entgegenzustrecken. Dann schlägt er noch eine Reihe weiterer Arrangements vor. Als die Sitzung sich dem Ende neigt, hat Gotardo noch eine besondere Bitte. Er wünscht ein Porträt von sich und seiner Frau. Aus seiner Tasche zieht er eine kleine Schachtel und reicht sie Jemma.
    »Willst du dir das nicht um den Hals legen, mein Schatz?« Es ist ein ovales Medaillon aus rosafarbenem Gold, das man mit einer kleinen Fotografie bestücken kann: ein Geschenk zur Geburt ihrer Tochter. Wie von Gotardo erhofft hat ihr Mädchen die kleinen Streitereien und Differenzen zwischen ihnen relativiert. In Lucy haben ihre jeweils besseren Seiten zur perfekten Vereinigung gefunden.
    Mr. Feehan schlägt vor, dass sie sich Seite an Seite nebeneinanderstellen, aber Gotardo schwebt etwas anderes vor. Er deutet auf den grüngolden gepolsterten Liebessessel, auf dem sie nebeneinandersitzen, sich aber dennoch ansehen können. Mr. Feehan verschwindet unter dem schwarzen Tuch, Licht blitzt auf, und sie sind auf ewig gebannt, wie sie einander in die Augen schauen. Es wird eine Fotografie, die Gotardo immer bei sich tragen wird, eine sepiafarbene Erinnerung an die Zeit ihrer Zufriedenheit.
    Bis sie im Fotoatelier fertig sind und danach noch Celestina besucht haben, ist es Abend. In der Stadt herrscht bereits fast völlige Dunkelheit, bis auf das kalte Markasit-Glitzern der Milchstraße und den gelben Lichtschein ihrer Laterne, der ihre Schritte über den staubigen Weg durch den Busch begleitet, sowie das gelegentliche Aufflackern von Kerzen zwischen den Eukalyptusbäumen, wo die Minenarbeiter der Nachtschicht nach Brandy Hot unterwegs sind.
    Wenn Gotardo in der Zukunft die an diesem Tag aufgenommenen Fotos betrachtet, wird er sich an diesen Nachhauseweg erinnern, der außer vom Kreischen der Flughunde auch von den wilden Lauten ihrer Tochter in ihrem Kinderwagen begleitet war. Er wird daran denken, wie der Horizont überirdisch zu leuchten begann, als sie sich den verlassenen Schächten der Grand Mystery Co. Mine näherten, wo der fossile Abraum und der lignitische Lehm eines prähistorischen Sumpfes Feuer gefangen hatte und von da an dreiundzwanzig Monate lang weiterbrennen sollte. Ihm wird in Erinnerung bleiben, wie sie an einem Grat stehen blieben, um das dunkelblaue Feuer zu beobachten, das wie ein aus der Erde befreiter Geist tanzend auf einer Stelle verharrte, und wie er dabei an die Mitternachtsmesse denken musste, zu der man ihn als Kind mitgenommen hatte, und dass er diesen Augenblick so vollkommen fand und glücklich gewesen wäre, dort die ganze Nacht zu verweilen und die rauchgeschwängerte Luft einzuatmen.
    Nacht für Nacht träumt das Kind von der warm heraussprudelnden Milch, der weichen Rundung des Fleisches, das sich an seine Wange presst, und vom Diorama aus Himmel, Blättern, Ästen und Gesichtern, die über seinem Kinderwagen kreisen. Das Mädchen lernt, seine Wiege zum Schwingen zu bringen, sich umzudrehen und dann zu krabbeln, und bald schon zieht es sich an den Möbeln hoch und wackelt auf den eigenen Beinen einher und sagt Worte wie »Mama!« und »Papa!« und »Nein!«
    Gotardos »Schweizer Gold« reift vollendet und kann nun aus dem Keller hochgeholt werden. Dank der Erfolge seiner Viehzucht konnte er es sich erlauben, einen jungen Landarbeiter einzustellen, der Jemma ihre Arbeit erleichtert. Und zur Krönung ihres Glücks schläft Lucy gern und erspart ihnen die schlaflosen Nächte, vor denen man sie gewarnt hatte, und so kann Jemma tagsüber lange Zeit vor ihrer Staffelei verbringen. Jedes Mal, wenn Gotardo am Atelier vorbeikommt, bleibt er am Fenster stehen, um einen Blick auf Lucy in ihrer hell gestrichenen Wiege zu erhaschen, die früher einmal als

Weitere Kostenlose Bücher