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Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Capp
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ist ihr schon früher dorthin gefolgt und würde ihr auch heute wieder folgen, müsste er nicht zurück aufs Revier. Wenigstens weiß er, was sie vorhat, oder glaubt es zu tun, bis er bemerkt, dass Nathaniel Byrne seinen Platz auf der Veranda verlassen hat und in Jemmas Gefolge die Straße hinaufläuft.
    Nach einer einstündigen Wanderung von der Stadt Richtung Breakneck Gully gelangt man zu einer Lichtung im Busch, wo einst ein Gehöft stand. Bis auf drei rote Kamine aus Ziegelsteinen, deren Feuerstellen sich unsichtbaren Räumen öffnen, steht nichts mehr von diesem Gebäude. Jemma hatte dieses verlassene Grundstück entdeckt, bevor Lucy geboren wurde, und mit ein paar vorbereitenden Skizzen für ein Gemälde begonnen. Orte wie diese ziehen sie magisch an, Plätze voller Melancholie und Geister, die unsichtbar umherschweben. Den üppig nachgewachsenen Bäumen am Rande der Lichtung und dem Gras nach zu schließen, das wie ein Teppich das Innere des Hauses überwuchert hat, muss es mindestens zwei Jahre her sein, seit das Buschfeuer hindurchgefegt ist. Aus einer eisernen Kasserole quillt ein Büschel violetter Wildblumen. In einem umgestürzten Camp Oven hat eine Familie kleiner Beutelratten ein Zuhause gefunden. Wo sich einst der Salon befunden haben dürfte, steht noch immer eine geschwärzte Teekanne auf den verkohlten Überresten eines Holztisches. Hinter dem Haus fließt ein Fluss, der sich zu kleinen Tümpeln mit stillen dunklen Wassern verzweigt, die fast unsichtbar wären, würden sich darin nicht die Bäuche vorüberziehender Wolken spiegeln. Über der Oberfläche schweben Stechmücken, die auf ihrem Flug durch die gefilterten Lichtsäulen auftauchen und wieder verschwinden.
    Jemma findet eine schattige Stelle, wo sie den Kinderwagen abstellt und mit einem Netz abdeckt, das das Kind vor Fliegen schützt, bevor sie sich mit der aufgezogenen Leinwand im Schoß in der Nähe des Flusses niederlässt. Sie schaut ins Leere, sodass die Farben und die scharfen Konturen sich in eine flüchtige Palette aus Formen und Licht auflösen. Dabei muss sie an das Blickfeld des Kindes denken, dem die sich über seinem Kinderwagen drehende Welt nicht anders als bruchstückhaft und unwirklich vorkommen kann. Als Lucy noch kleiner war, brach sie in Entzückensschreie aus, wenn sie unter einem Baldachin aus Bäumen oder Riesenfarnen hindurchkamen und das Chiaroscuro ihr Gesicht sprenkelte und ihre Pummelhändchen sich ausstreckten, um nach den vorbeischwimmenden Schatten zu greifen.
    Aus ein paar Metern Entfernung ist das Bild auf der Leinwand ganz deutlich. Von seinem Platz am Rande der Lichtung erkennt Nathaniel Byrne das quecksilbrige Glänzen des Flusses, die ihn umgebenden Bäume und deren Spiegelung in den Gumpen und im Vordergrund die aufragenden roten Kamine des ausgebrannten Gehöftes. Wie kommt es, fragt er sich, dass er, ein Stammgast des Mountain Hotel an der nahe gelegenen Straße nach Breakneck Gully, bisher noch nicht auf diese Ruinen gestoßen ist?
    Er beobachtet sie beim Malen und fühlt sich an die aufgebrochenen, lichterfüllten Muster erinnert, die man beim Blick durch ein Kinderkaleidoskop sieht. Ohne nachzudenken nähert er sich ihr und entdeckt dabei eine merkwürdige Veränderung des Bildes. Es verschwimmt, als wäre es eine optische Täuschung, und die Bäume, der Fluss und die einst soliden Kamine lösen sich auf in einem Farbengewimmel. Fast rechnet er damit, dass auch Mrs. Voletta selbst vor seinen Augen verschwindet, als wäre sie nur eine Illusion aus Licht.
    Jemma fährt mit einer raschen Bewegung herum, den Pinsel noch in der Hand. »Schleichen Sie sich an Frauen immer so heran?«
    Unwillkürlich weicht Byrne zurück. »Ich muss mich entschuldigen, Madam. Ich sah Sie den steilen Hang mit dem Kinderwagen und Ihrer Leinwand hinaufsteigen. Und das hat mich zugegebenermaßen neugierig gemacht.« Weil ihm zur weiteren Erklärung seiner Motive nichts einfällt, hält er inne und ärgert sich, ertappt worden zu sein. »Wie ich höre, wird es im nächsten Monat bei Bendigo eine Ausstellung von Ihnen geben. Ich meine natürlich, von Ihren Gemälden, nicht von Ihnen. Obwohl sich zweifellos viele freuen würden, einen Blick auf …«
    »Verheddern Sie sich bloß nicht, Mr. Byrne. Ich fand schon immer, dass Charme einem Täuschungsversuch gleichkommt. Es überrascht mich, dass Sie sich dazu herablassen. Sie sind so gar nicht der Typ dazu.«
    Jemma kann sich nicht erklären, warum sie so gereizt ist. Er hat

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