Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)
etwas an sich, das sie vorwarnt und wachsam sowohl ihretwegen als auch seinetwegen sein lässt. Das Gefühl, nicht ganz die Kontrolle über sich zu haben, ist ihr unangenehm.
»Anscheinend habe ich mir ganz unbegründet einen gewissen Ruf erworben«, sagt er.
»Darauf gebe ich nichts«, erwidert Jemma trotziger, als ihr lieb ist. Wohin sie auch geht, immer ist sie sich des Geredes bewusst, das sie auslöst, der Augen, die sie stillschweigend beurteilen. Selbst Gotardo fällt es schwer nachzuvollziehen, warum sie auf der Suche nach Sujets für ihre Skizzen den Kinderwagen ständig über holperige Buschwege schleift, warum sie nicht mehr Zeit dafür aufwendet, Kleider für das Baby zu nähen und sich um den Haushalt zu kümmern.
»Ihre Kühnheit bei der Anhörung im McQueen-Fall habe ich bewundert. Wie ich hoffentlich auch anschließend deutlich machen konnte.«
»Das haben Sie, und ich war dankbar dafür. Leider gehören Sie einer Minderheit an, Mr. Byrne«, ergänzt Jemma. »Woher wussten Sie denn von der Ausstellung?«
»Der Kurator, Mr. Kidd, ist ein alter Freund von mir. Er sagte mir, er habe Ihre Werke in Augenschein genommen und sei höchst beeindruckt.«
Jemma hatte gehofft, Mr. Kidd werde ihr Triptychon des sturmgebeutelten Picknicks und der wunderbaren Rettung des kleinen Mädchens auswählen, doch obwohl er voller Lob für dieses Werk war, fürchtete er doch, damit Anstoß zu erregen, ein Risiko, das er nicht eingehen wollte. Er verlieh seiner Verwunderung Ausdruck, warum sie es Le déjeuner sur l’herbe genannt habe, da schließlich auf diesen Bildern überhaupt kein Gras zu finden sei, der Boden im Gegenteil die Farbe von gegerbter Haut habe. Jemma war daraufhin rot geworden und hatte auf die Erwähnung der französischen Maler doch lieber verzichtet. Was ihr zuerst als gute Möglichkeit erschienen war, ihr Werk in eine neue Tradition zu stellen, kam ihr plötzlich hoffnungslos affektiert vor. Verblendet. Allein der Gedanke treibt ihr die Schamesröte ins Gesicht.
Byrne bemerkt diese und fühlt sich ermutigt anzunehmen, er habe sie in Erregung versetzt. Aber das Gespräch scheint ins Stocken geraten zu sein. Er spürt die Feuchte des Buschs nach dem morgendlichen Regen, der die von der Mittagssonne nicht erfassten Blätter wie glasiert erscheinen lässt. Indem er tief einatmet, sagt er: »Es gibt nichts Schöneres, nicht wahr, Mrs. Voletta? Dieser Duft des Busches nach dem Regen. Wenn man den auf Flaschen ziehen könnte. Man gäbe ihm den Namen eau de sowieso, und alle Damen der Gesellschaft würden sich darum reißen.«
Jemma lächelt und sagt dann: » Forêt .«
»Natürlich. Eau de forêt .«
Das sagt er mit einem derart starken, übertriebenen Akzent, dass Jemma gegen ihren Willen lachen muss. Die Luft scheint zu prickeln. Der Geruch von Eukalyptus, die Würze der Akazie, der Moschusduft feuchter Erde. Ihr liegt auf der Zunge zu sagen, wie fruchtbar es riecht, hält sich aber zurück. Etwas an dem Wort »fruchtbar« käme ihr zu keck vor. Zu heftig.
Sie wendet sich ihrer Leinwand zu, um ihre Verwirrung zu verbergen.
Nathaniel beobachtet sie amüsiert. So leicht käme sie ihm nicht davon. »Sie wollten etwas sagen, Mrs. Voletta?« Sie machten Fortschritte, und verdammt sollte er sein, wenn er die Gelegenheit verstreichen ließe.
Jemma vermag ihm nicht in die Augen zu schauen. Sie fühlt sich schüchtern in seiner Gegenwart, und das ist ein Gefühl, das sie nicht mag. Schüchternheit ist falsch und mädchenhaft. Kühn wendet sie sich ihm zu. »Dieses Aroma. Ich wollte sagen, wie fruchtbar es riecht.«
»Fruchtbar.« Sein Ausdruck verändert sich nicht, aber in seinem glutäugigen Blick blitzt kurz ein Funke auf. »Ein gutes und höchst passendes Wort.«
Es ist ein Augenblick vollkommener Übereinstimmung. Aber was, fragt sich Nathaniel, soll er damit anfangen? Harmloses Scherzen mit Frauen ist er gewohnt, jedoch nicht diese Art von Intensität. Sie entmutigt ihn und erregt ihn zugleich, und er möchte mehr davon.
Plötzlich knackt es in den Zweigen. Sie drehen sich um und sehen eine Polizeiuniform im Gebüsch verschwinden.
»O’Brien!«, sagt Nathaniel.
»Schon wieder.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Er beobachtet mich.« Jemma erzählt ihm in knappen Worten, woher sie sich kennen. »Ich kann nur hoffen, dass er dessen überdrüssig wird. Aber lassen Sie uns darüber nicht noch mehr Worte verlieren.«
Es folgt betretenes Schweigen.
»Ich sollte Sie zu Ihrer Malerei kommen
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