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Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Capp
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sitzt. Hätte die Schlange gekonnt, wäre sie zweifellos geflohen, aber da sie sich bedrängt fühlt, verharrt sie, um zuzuschlagen. Mit einer Kraft und Geschwindigkeit, die sie sich selbst nicht zugetraut hätte, hebt Jemma einen ihrer Stiefel vom Boden auf und wirbelt ihn durch die Luft, sodass er direkt vor der Schlange landet. Ein schwerer Aufprall, eine Staubwolke, und die lauernde Schlange weicht dem Schlag scharf aus, windet sich im Staub und gleitet in den Busch.
    Nathaniel hebt das heulende Kind auf und reicht es Jemma. Eine Zikade setzt mit ihrem durchdringenden metallischen Zirpen ein. Jemma drückt Lucy an sich und wiegt sie von Seite zu Seite, weil sie sich selbst genauso beruhigen muss wie das Kind. Sie schaukelt und murmelt Trostworte, bis Lucy einschläft.
    Als Nathaniel die beiden vom Rande ihres geschlossenen Kreises aus beobachtet, hat er das befremdliche Gefühl, nicht mehr länger existent zu sein. Das ist kein Gefühl, das ihn üblicherweise in der Gesellschaft von Frauen überfällt. Sein Verstand gebietet ihm, sich diese Frau aus dem Kopf zu schlagen und sich so flink wie er kann aus dem Staub zu machen, sein Körper dagegen verweigert sich ihm.
    Erst als Jemma Lucy in den Kinderwagen gelegt hat, wird sie seiner wieder gewahr. »Es war falsch von mir, sie mit hierher zu bringen. Alle haben das gesagt, doch ich wollte nicht auf sie hören. Ich bin zu impulsiv, Mr. Byrne, das war ich schon immer.« Sie sieht ihn vielsagend an. »Aber ich habe meine Lektion gelernt.«
    »Schlangen gibt es überall, Mrs. Voletta. Das Risiko ist in ihrem Garten womöglich genauso groß wie hier draußen.«

22
    Das Bendigo Mechanics’ Institute ist keine Kunstgalerie, erfüllt diesen Zweck aber dennoch gut. Der Innenraum ist hell dank einer Reihe von Oberlichten und wurde in einem unauffälligen gebrochenen Weiß gestrichen. Jemma und der Kurator Mr. Kidd haben den ganzen Vormittag damit zugebracht, die Bilder aufzuhängen, und da Mr. Kidd nun losgegangen ist, um etwas zum Mittagessen zu holen, nutzt Jemma die Gelegenheit, zurückzutreten und ihr Werk voll und ganz auf sich wirken zu lassen.
    Es ist ein merkwürdiges Gefühl, so kurz vor einem Ereignis zu stehen, auf das man sich so lange gefreut hat. Merkwürdig und beängstigend. Bald schon werden Leute durch diese Räume schlendern, ihre Gemälde studieren, vom einen zum nächsten gehen und womöglich mit einem einzigen Blick das Werk von Jahren taxieren und ablehnen. Und weil sie in ihren Bildern einen Stil verfolgt, der neu und unorthodox ist und womöglich nicht den Erwartungen der Leute entspricht, wie ein Gemälde auszusehen hat, sind die Chancen sehr groß, dass es dem Publikum nicht gefällt. Und Jemma wird machtlos dagegen sein.
    »Mrs. Voletta.«
    Die Stimme kommt vom Eingang hinter ihr. Jemma dreht sich aufgeschreckt um. Sie hatte niemand hereinkommen hören. Wieder einmal hat er sie überrascht. Sie spürt, wie rasch sich ihre Brust hebt und senkt, und sagt: »Das wird langsam zur Gewohnheit bei Ihnen, Mr. Byrne.«
    »Ich habe am Breakneck Gully auf Sie gewartet. Aber Sie sind nicht zurückgekehrt.« Im Lauf des vergangenen Monats war Nathaniel diesen Weg mehrmals in der Hoffnung abgelaufen, sie anzutreffen. Es verstört ihn zutiefst, dass er kaum in der Lage war, an etwas anderes zu denken.
    »Ihr Freund, Mr. Kidd, ist gerade gegangen, um zu Mittag zu essen«, sagt Jemma, entschlossen, Avancen jeglicher Art zu ignorieren. »Ich werde ihm ausrichten, dass Sie vorbeigeschaut haben.«
    »Das macht nichts, Mrs. Voletta. Ich bin mehr als erfreut, Sie zu sehen.« Sein Blick wandert über die Wände. »Und Ihre Arbeiten.«
    »Sie werden mich entschuldigen müssen, wenn ich Ihnen jetzt den Rücken zukehre. Es müssen noch mehr Bilder aufgehängt werden.«
    Jemma rückt ein schief hängendes Gemälde gerade, erleichtert, etwas mit ihren Händen tun zu können. Verzweifelt wünscht sie sich, er wäre nicht gekommen. Oft hatte sie mit dem Gedanken gespielt, wieder nach Breakneck zurückzukehren, hatte nachts neben Gotardo im Bett gelegen und überlegt, was sie tun soll, und sich gefragt, ob sie ihn bereits mit diesen Gedanken betrügt. Aber das Gemälde konnte nun im Studio fertiggestellt werden, ohne Lucy unnötigen Gefahren auszusetzen. Außerdem lenkte sie sich mit der Vorbereitung ihrer Werke für die Ausstellung ab, sodass keine Zeit für Tagträume und zum Sinnieren blieb. Ungeachtet der Gefühle, die Nathaniel Byrne in ihr aufgewühlt hatte, sagte sie

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