Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Capp
Vom Netzwerk:
lassen«, sagt Nathaniel. Verweilt aber trotzdem. Eingehend studiert er die Leinwand. »Aus der Entfernung konnte ich den Fluss und den Kamin und die Bäume sehen. Aber jetzt sehe ich nur noch Farbtupfen.«
    »Es ist eine neue Technik, mit der ich experimentiere. Ich erwarte nicht, dass sie diese verstehen oder sogar bewundern. Ich verstehe sie selbst kaum.«
    »Verstehen ist nicht immer das Wichtigste. Selbst in der Geologie muss man manchmal seiner Intuition vertrauen.« Mit einem Halblächeln holt er einen kleinen Goldklumpen aus seiner Tasche. Würde er diesen Klumpen halbieren, erzählt er ihr, sähe er wie eine Zwiebel aus, eine Lage auf der anderen. In einer Lösung entwickle sich ein kleines Knötchen zu etwas Größerem, indem es mehr Gold anzieht. Er fixiert sie mit seinen marineblauen Augen. »Gleiche Minerale ziehen einander an. Selbst Substanzen, die nicht magnetisch sind, können voneinander angezogen werden. Warum, wissen wir nicht.«
    Aus dem Kinderwagen ertönt ein Schrei.
    Byrne setzt seinen Hut wieder auf. »Bis zum nächsten Mal, Mrs. Voletta.« Er wartet ab, kann aber dann doch nicht widerstehen. »Ich nehme nicht an, dass Sie morgen wieder hier sind?«
    Jemma starrt lang und intensiv auf die Leinwand. Es wäre falsch, ihn zu ermutigen. Und doch hat sie geplant zurückzukommen. Was konnte es schaden, die Wahrheit zu sagen? »Es wird noch ein paar Tage dauern, bis es fertig ist.«
    »Also dann«, sagt Byrne, plötzlich ganz entschlossen. Er nickt ihr zum Abschied zu.
    Sie sieht ihm nach, wie er über den schmalen Buschpfad Richtung Mountain Hotel ausschreitet. Noch immer spürt sie die kühle Direktheit seines Blicks. Sie legt das Kind an ihre Brust. Die Milch beginnt zu fließen und überflutet ihren Körper mit Wärme. Gleiches zieht Gleiches an .

21
    Am nächsten Tag trifft Jemma früher als gewöhnlich bei dem ausgebrannten Haus ein. Der morgendliche Chor der Vögel, das schräg durch die Eukalyptusbäume einfallende Sonnenlicht und das satte Grün, das aus jeder Ritze frisch heraussprießt, verbannen das Gefühl des Verlassenseins, das sie mit hergebracht hat. Erwartungsvolles Summen erfüllt die Luft.
    Während die Wärme zunimmt, die Luft schwerer wird und die Vögel verstummen, fällt es ihr jedoch immer schwerer, sich auf das Gemälde zu konzentrieren. Die Fliegen scheinen schlimmer zu sein als tags zuvor und summen viel hartnäckiger um ihre Augen und Lippen. Auch die Sonne brennt heißer, als sie das Laubdach über ihr durchdringt. Sie legt die Leinwand beiseite, taucht ihr Gesicht in den Fluss, zieht ihre Stiefel aus und watet dann mit geschürztem Rock durch das klar dahinströmende Wasser, das ihr bis zur Wade reicht. Sie wünschte, es wäre tiefer, dann könnte sie schwimmen. Mit nackten Füßen wandert sie um das ausgebrannte Haus, bückt sich gelegentlich, um Scherben zerbrochenen Geschirrs zu inspizieren, einen angelaufenen Kerzenhalter aus Kupfer, eine Butterdose aus Keramik zum Kühlhalten – alles halb begraben unter Laub und Schmutz. Angestrengt lauscht sie auf Schritte. Es gibt Momente, da ist sie sich sicher, ihn gehört zu haben, das Knacken von Zweigen und Rinde. Aber wenn sie aufblickt, ist da keiner. Sie hätte auch in ihrem Atelier bleiben und in angenehmer Kühle ihr Gemälde vollenden können, und als es Mittag ist, wünscht sie sich, sie hätte es getan.
    Ein fordernder Schrei ertönt.
    Jemma dreht sich um und sieht Lucy, die von ihrem Schläfchen aufgewacht ist, mit einem breiten Grinsen in ihrem Kinderwagen sitzen und von beiden Seiten daran rütteln. »Mama!«
    Als sie sich die Aufmerksamkeit ihrer Mutter gesichert hat, jauchzt sie vor Freude.
    Jemma öffnet daraufhin weit ihre Arme. »Lucia mia!«, lacht sie und hebt das Kind aus seinem Kinderwagen. Sie wandert eine Weile mit Lucy im Arm umher, zeigt auf die Dinge und benennt sie – Kamin, Baum, Tisch, Vogel – und singt dann ein paar Takte eines Liedes. Sie wundert sich, wie alles wieder neu wird, wenn man ein Kind hat. Die Welt der wimmelnden Ameisen und kriechenden Geschöpfe, die unter Steinen leben. Der Anblick von Wasser, das sich über die Kiesel in einem Fluss wölbt. Ein winziger Schössling, der aus einem geschwärzten Baumstamm austreibt. Als Lucy in ihren Armen zu strampeln beginnt, setzt sie sie auf einem Grasstück ab, um sie umhertapsen zu lassen. Noch bevor Lucy laufen konnte, zog sie sich an dem hölzernen Rollwagen hoch, den Gotardo für sie gemacht hatte, und rannte damit so schnell sie

Weitere Kostenlose Bücher