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Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Capp
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gab es keine Zukunft, das wussten alle. Selbst die Geistlichen wanderten ab, weil ihre Gemeinden so geschrumpft waren, dass ihnen keine andere Wahl blieb, als ihrer flüchtigen Herde zu folgen. Aber Gotardo hatte nicht vor, wie die anderen Männer in der Erde nach Mineralbrocken und Glitzerstaub zu wühlen. Inmitten der Goldfelder Victorias gab es eine blühende Stadt seiner Leute, der Tessiner. Und wo es Städte gab, war immer Bedarf an frischer Milch und Sahne, und er hatte auch schon Pläne, seinen köstlichen Käse unter dem Etikett »Schweizer Gold« zu verkaufen.
    Sein Vater nimmt seinen Platz am Kopfende des langen Holztisches ein. Auch er ist dem Anlass entsprechend gekleidet und trägt seine beste scharlachfarbene Weste und eine Hose aus Sämischleder. Wo Anna Voletta in ihrem Kummer verstummt, täuscht Pietro Frohsinn vor und gibt allerletzte Ratschläge für den Umgang mit den Kühen während der langen Überlandexpedition bis zum Hafen von Neapel. Gotardos Verlobte Felice gesellt sich zu ihnen und stellt ihr mitgebrachtes Gericht aus Pilzen und Safranrisotto auf den ohnehin schon unter den vielen Speisen ächzenden Tisch: Polenta mit Ziegenschmorbraten, Maroni und Kartoffeln in Knoblauchbutter, eine Schale mit Feigen, Pfirsichen, Maulbeeren und Birnen in Süßwein und natürlich geräucherte Wurst, Brot und Gotardos eigenen Käse. In der Mitte des Tisches steht eine besondere Köstlichkeit: ein Dutzend Schnecken, die seine Mutter in einem Bett aus Sägemehl züchtet und mit Blättern füttert, bis ihre Häuser glänzend und dick sind.
    Felice sitzt schweigend am Tisch und reicht die Speisen hin und her, fast ohne selbst etwas zu essen. Sie sieht wächserner aus denn je. Wenn sie dann gelegentlich tief einatmet, halten auch alle anderen den Atem an und warten darauf, dass sie das Wort ergreift. Sie sieht in ihre erwartungsvollen Gesichter und möchte etwas Denkwürdiges sagen, möchte Gotardo an ihren ersten Kuss im nahe gelegenen Wald erinnern und an den Heimweg in der Dämmerung durch knöchelhohen Schnee, als sie sich scheu an der Hand hielten. Oder an die Tage, an denen sie mit den Ziegen zu den oberen Hängen des Gotthard hochgestiegen waren, um sich dort gegenseitig beim Namen zu rufen und auf die Antwort des Berges zu warten. Aber jedes Mal muss sie sich der Oberflächlichkeit der Worte geschlagen geben. Sie schaut auf ihren Teller und sagt sich, sie müsse nur Geduld haben und darauf vertrauen, dass Gotardo Wort hält.
    Sosehr er sich auch bemüht, es fällt Gotardo schwer, sich an das lächelnde Mädchen mit den Pausbacken zu erinnern, in das er sich verliebt hat. Immer ist ihr Ausdruck voller Resignation, und sie ist so dünn geworden, dass er, wann immer er ihr in ihre eingesunkenen Augen blickt, nicht umhin kann, den Schädel darunter zu sehen. Selbst wenn genügend Geld für ihre Überfahrt vorhanden gewesen wäre, wussten doch alle, dass sie die lange Reise über Land und Meer bis zur anderen Seite der Erdhalbkugel nicht überleben würde. Gotardo stürzt den Grappa hinunter und schämt sich seiner Erleichterung. Er redet, als würde er in ein paar Jahren mit seinen Brüdern im Schlepptau zurückkehren, ein anständiges Vermögen im Gepäck. Was gäbe das für ein Hochzeitsfest! Doch sie schauen ihn alle sorgenvoll an, und keiner glaubt ein Wort von dem, was er sagt.
    Gotardo bläst in sein Horn, sowohl zum Abschied als auch, um seine Herde zu sammeln. Auf dem Bergpfad schließen sich die Kühe ihm an und begleiten mit ihrem an einen murmelnden Wasserlauf erinnernden Geläut den Abstieg hinunter nach Locarno. Jedes Mal, wenn er sich umdreht, um zu überprüfen, wie weit sie gekommen sind, richten sie ihre tieftraurigen Augen auf ihn, als hätten sie ihm eine wichtige Frage zu stellen. Wie immer gibt es Nachzügler, die Vielfraße, die mit ihren Nasen nicht von den Grasbüscheln loskommen. Doch er weiß, dass er nur ihren Namen zu rufen braucht und sie zu ihm kommen werden, zu ihm, der sie auf die Weiden führt und sie im zeitigen Frühjahr wieder zurück in die Berge geleitet. Nur wird es diesmal keinen Rückweg geben, keine Rückkehr in das Sackgassental seiner Jugend. Er schaut hoch zu seinem Dorf und kann gerade noch so seine Eltern und Felice erkennen, drei kleine Gestalten, die mitten auf der Straße stehen, im Hintergrund der hoch aufragende Berg. Er hebt seine Hand zu einem letzten Winken, ehe er um die Biegung verschwindet.
    Wenn er an Australien denkt, denkt er an Locarno. Die oberen

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