Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)
Eisen in ihrer Brust sitzt. Wie gern würde sie weinen können. Stattdessen blickt sie starr in den Himmel. Sie hat ihn nicht betrogen und kommt sich doch vor, als hätte sie eine Unzahl von Verbrechen begangen. Ihr Verbrechen bestand darin, ihn nicht genug lieben zu können – nicht auf die Weise, die sie wieder zu der Frau verwandelt, die er verdient. Ihr Verbrechen war ihre Leidenschaft für einen anderen Mann. Ihr Verbrechen bestand darin, dass es ihr als Künstlerin an der Hingabe mangelt, die eine Ehefrau haben sollte. Es ängstigt sie, dass sie womöglich nie in der Lage sein wird, diese Mängel zu beheben, dass sie an dieser Schuld und dieser Reue ihr ganzes Leben lang wird tragen müssen.
»O Gotardo. Es liegt nicht an dir.« Aus Angst, er könnte nachhaken, ergänzt sie rasch: »Lass uns was essen.«
Jemma setzt sich auf und beginnt, Essen aus dem Picknickkorb zu holen und auf der Decke auszubreiten. Dabei muss sie an das Picknick denken, das sie vor über drei Jahren skizziert hat und dessen gemalte Fassung – ihre beste Arbeit überhaupt – nun in ihrem Atelier Staub ansetzt.
»Komm her, Schatz«, ruft sie Lucy zu. »Zeit zum Mittagessen.«
Nach dem Essen sind sie noch schläfriger als davor. Weder Jemma noch Gotardo haben in letzter Zeit gut geschlafen. Jemma legt Lucy auf ein Kissen, hat aber nicht die Absicht einzudösen. Sie hält ihre Tochter im Arm und nimmt sich vor, nur kurz ihre Augen zu schließen, damit diese sich ausruhen können, aber kaum hat sie das getan, sind sie alle auf der Decke eingeschlafen.
Etwas weckt sie. Eine Windböe zerrt an den Baumkronen, und die ganze Welt scheint ihre Achse zu verschieben, der sich über ihnen drehende Himmel ist jetzt sepiafarben. Ein merkwürdiges Licht liegt über der Landschaft.
Sie schnuppert und setzt sich erschrocken auf.
»Riechst du das?«
Gotardo klettert auf die Bergkuppe und kann nicht glauben, was er sieht. Etwa drei Kilometer von ihnen entfernt rast ein Wall wütender orangefarbener Flammen, an dessen Rändern grauer Rauch aufsteigt, die Hügelketten hinab, und der Wind, vor dem sie in der Schlucht geschützt gewesen waren, treibt die Feuerwalze auf sie zu. Er verfolgt die Feuerlinie, doch nur um eine weitere Front zu entdecken, die von hinten heranrauscht. Ihr Pferd, das sie oberhalb der Schlucht an einem Baum neben dem Karren festgebunden haben, fängt zu wiehern an, zerrt an seinem Strick und versucht sich loszureißen. Der Wind ist so böig und wechselt ständig die Richtung, dass Gotardo nicht sagen kann, welche Richtung sie einschlagen sollen. Über ihren Köpfen tröpfelt verlockend Wasser durch das Blätterdach. Gotardo hetzt den Hang hinunter, um Jemma zu informieren. In der Hoffnung, dass das teilweise gerodete Land als Schneise dient, um das Feuer aufzuhalten, beschließen sie, den Weg über die Weiden zu Jack Maddicks Gehöft zu nehmen. Jemma drückt Lucy an ihre Brust, um sie vor der beißenden Luft zu schützen.
Gotardo spürt kaum, wie der Draht ihm in die Haut schneidet, als er diesen vom Pfosten löst und eine Öffnung in Jack Maddicks neuen Zaun macht. Er führt Pferd und Karren hindurch. Mit jeder rauchgeschwängerten Windböe wird das Pferd nervöser, dessen Flanken bereits schweißnass sind. Gotardo muss all seine Kunst anwenden, um das scheuende Tier unter Kontrolle zu halten. Als Lucy wegen des Rauchs zu würgen beginnt, jammert und hustet, bekommt Jemma Panik. Wie hatte sie das zulassen können, wie konnte sie ihr Mädchen solcher Gefahr aussetzen?
Nicht weit hinter ihnen wälzt das Feuer sich brüllend und schnaubend heran und löst immer wieder Explosionen in den Eukalyptusbäumen aus, die Feuerwerke in den Himmel speien. Brennende Streifen von Candlebark- und Stringybark-Eukalyptus zischen wie Kometen durch die sengende Hitze der Luft. Weil Jemma und Gotardo jegliche Orientierung verloren haben, schreien sie einander an und streiten darüber, welchen Weg sie einschlagen sollen. Eigentlich sollte die Landschaft offener werden, aber stattdessen verdichtet sich das Unterholz immer mehr und der Busch wird undurchdringlicher.
Die Stute bäumt sich auf der Hinterhand auf, als ertrüge sie die Hitze des Bodens nicht mehr. Auf dem Pfad vor ihnen ist eine Frau aufgetaucht und wäre fast unter die Hufe gekommen. Mit Worten, die sie nicht verstehen können, beruhigt sie das aufgeschreckte Pferd. Sie ist eine Ureinwohnerin, gekleidet in der Tracht eines Hausmädchens, doch ihr dunkles lockiges Haar löst sich unter
Weitere Kostenlose Bücher