Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)
der Haube, die fleckig ist von der vom Himmel fallenden Asche. Sie erfahren von ihr, dass sie in dem Gehöft arbeitet und auf dem Heimweg von einer Besorgung für ihren älteren Nachbarn war, der Weg aber von den Flammen blockiert ist. Von ihr hören sie, dass sie in der falschen Richtung unterwegs sind und noch ehe das Feuer sie überrenne mit Sicherheit vom Rauch überwältigt würden, sollten sie weiterhin diesen Weg verfolgen. Sie legt ihnen nahe, den Karren und das Pferd zurückzulassen, und führt sie in eine andere Schlucht. Dort gebe es einen Wasserfall, hinter dem sie Zuflucht finden können.
Sie klettern, rutschen und klammern sich bei ihrem Abstieg an kleine Büsche, angezogen vom wohligen Klang herabstürzenden Wassers, wo die Luft zunehmend frischer wird und ihnen nach dem erstickenden Rauch und der Hitze eine Atempause gewährt. Unten angekommen bedrängt die Frau sie, ihre schwere Oberbekleidung abzulegen und in den Teich zu steigen, dabei deutet sie auf eine Höhle, die man hinter dem flüssigen Vorhang erahnen kann, der wie schaumgesponnener Tüll von einer Felskante dreißig Meter über ihnen hängt. Glücklicherweise, sagt sie, gebe es jetzt im Winter keine Strömung. Sie müssten durch die Gumpe waten, um die Höhle zu erreichen. Wortlos öffnet sie die Häkchen, die ihren Rock zusammenhalten, und bedeutet Jemma, ihr das Kind zu geben. Den Rock wie ein Zelt über ihren Köpfen haltend geht sie raschen Schritts durch die Wand aus Wasser und verschwindet wie in einer anderen Welt. Jemma und Gotardo tauchen direkt nach ihr ein und befinden sich gleich darauf am Ausgang einer kühlen, flachen Höhle, wo es unerwartet still ist. Lucy findet ihre tropfenden Haare lustig und schaut mit fröhlichem Grinsen von einem Gesicht ins andere, als wäre das alles ein herrliches Spiel.
Sie sind zwar durch das herabstürzende Wasser teilweise geschützt, aber die Rauchgefahr ist nicht gebannt. Hinter ihrem flüssigen Vorhang verfolgen sie, wie die höllische pulsierende Feuerwalze, gebrochen durch den Wasserfall, sich der Schlucht nähert. Die Höhle ist relativ schmal, aber die Frau, die sich ihnen als Harriet Farmer vorstellt, kennt einen kleinen Tunnel, der tief in den Berg hineinführt. Auf Händen und Füßen kriechen sie in diese Spalte und atmen die feuchte unterirdische Luft ein, während draußen das Feuer den Sauerstoff verschlingt und die Erde schwärzt. Wie ein gefräßiges Fabelwesen donnert es über sie hinweg. Aneinandergedrängt liegen sie auf den bemoosten Felsen und warten.
Als das Gebrüll nachlässt und sie gefahrlos wieder herauskommen können, kriechen sie ins Freie und stehen vor einer vollkommen veränderten Landschaft.
28
Später wird Gotardo daran als ihr letztes Abendmahl denken. Dazu haben sich Celestina und Carlo mit ihren beiden Kindern Giulia und Cesare, Marina und Pliny mit ihren vier Kindern Maurizio, Anna, Giacomo und Rosa sowie die beiden Brüder Gotardos, Battista und Aquilino, versammelt. Finstere Gesichter mit Vollbärten neben vollen Mündern und straffe Chignons neben pausbäckigen gelockten Cherubim, lange Locken neben romanischen Nasen und gestutzten Schnurrbärten. Dunkelhaarig, grobknochig, olivenfarben. Gotardos eigene Züge, die vielgestaltig auf ihn zurückgeworfen werden. Und selbst Jemma sieht so glücklich und gelöst aus wie schon seit Wochen nicht mehr. Er wird sie so, wie sie in diesem Moment im Lampenschein um den Tisch sitzen, im Gedächtnis behalten, sich an ihre entsetzten Ausrufe und an ihre von den Schatten vergrößerten Gesichter erinnern, als Jemma und er ihnen ihre Geschichte zum wiederholten Male so lebhaft schildern, dass allen der Rauch in den Augen brennt.
Pliny hebt sein Glas. »Auf das Leben!«
»Auf das Leben!«, jubeln alle.
Als die Volettas an diesem Abend eintrafen und Lucy das Feuer im Herd sah, schrie sie, bis Marina das Schutzblech vor die Flammen stellte. Doch abgesehen von der verständlichen Panik angesichts des Feuers und einer vom Rauch ausgelösten leichten Reizung des Halses macht sie einen unverletzten Eindruck. Nachdem sie den Teich und den Wasserfall erlebt hat, beschließt sie sogar, gern baden zu wollen, was zuvor immer eine Tortur gewesen war. Bevor sie zu den Serafinis aufbrachen, vollzogen Jemma und Gotardo gemeinsam das Ritual, das seit Lucys Geburt fast täglich absolviert wurde. Die beiden Eltern knieten sich wie zum Gebet beidseits der Wanne nieder, senkten das nackte Kind ins Wasser und verfolgten das
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