Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)
geröteten Wangen seiner Frau betrachtet. Verzaubert vom Feuer lächelte sie in sich hinein, und er konnte nicht umhin, sich zu fragen, was sie wohl dachte. Aber als er dann die Tür aufstieß, schien ihre Stimmung umzuschlagen. Sie begrüßte ihn zerstreut und machte sich dann daran, das Essen zuzubereiten.
Marcus O’Brien erhebt sich mit finsterer Miene. Dieser Narr, sagt er sich, hat keine Ahnung; er scheint seine Frau für einen Engel zu halten. Er hatte immer gewusst, dass dieser zum Flickschuster gewandelte Bauer keine Bedrohung darstellte, dass diese Beziehung nicht von Dauer sein würde. Nathaniel Byrne ist allerdings was anderes. Außerdem hatte er recht behalten, was Jemma und ihren lockeren Lebenswandel betraf. Als er ihr diesen vorhielt, hatte er nur die Wahrheit ausgesprochen. Er kannte sie besser als jeder andere, und im Lauf der Zeit würde auch sie dies erkennen. Auf die eine oder andere Weise würde die Wahrheit ans Licht kommen, dafür würde er schon sorgen.
Gotardo begleitet Sergeant O’Brien über den Kiesweg zum Eingangstor und ist erleichtert, ihn verabschieden zu können, als – zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt – Jemma aus ihrem Atelier kommt. Sie entdeckt Gotardo im Garten und ruft ihm zu, sie habe etwas, das sie ihm zeigen wolle. Das Porträt sei fertig. Sie ist zu dem Schluss gekommen, dass sie nur seinen Argwohn weckt, wenn sie es vor ihm zu verbergen sucht. Das Gemälde ist gut, und es gibt nichts, weswegen sie sich schämen müsste. Sie redet sich ein, dass ihre Ängste grundlos sind. Es ist das Bild eines Mannes, der auf einem großen Felsen sitzt. Wie könnte das ihre Gefühle offenlegen?
Jemma kommt mit fließenden Bewegungen über den Rasen und bemerkt zu spät, dass Gotardo nicht allein ist, sondern Marcus O’Brien neben ihm steht. Sie lächeln sich angespannt an und begrüßen sich, während Jemmas Augen zwischen ihrem Ehemann und O’Brien hin und her wandern und sie einzuschätzen versucht, was O’Brien ihm erzählt haben mag.
»Sergeant O’Brien will sich gerade verabschieden«, erklärt ihr Gotardo.
»Ihr Mann hat mir nicht gesagt, dass Sie hier sind, Mrs. Voletta. Sehr nachlässig von ihm, finden Sie nicht? Nichts wäre mir eine größere Freude als zu sehen, woran Sie arbeiten.«
Jemma und Gotardo schauen einander hilflos an. Angesichts der Autorität, die O’Brien für sich in Anspruch nimmt, glauben sie, keine andere Wahl zu haben. Jemma macht auf dem Absatz kehrt und geht, gefolgt von den beiden Männern, in ihr Atelier mit den hohen Wänden, an dessen Stützbalken sich die Leinwände reihen. Auf einer langen Bank liegen Tuben und Farbtöpfe, Gläser mit Pinseln in vielen verschiedenen Größen und große, mit Skizzen bedeckte Blätter. O’Brien sieht sich interessiert um. Er bemerkt, dass der Raum viel größer ist als ihr Atelier in East Melbourne, und verliert für einen Moment seinen spöttischen Ton und wird wieder zum kleinen Jungen. Als würde ihn der Geruch von Leinöl sowie das, was er vor sich sieht und ihn wieder in jene Tage voller Hoffnung zurückversetzt, entwaffnen, verfolgen seine Augen Jemma mit unverhohlenem Begehren, während sie an die Staffelei in der hinteren Ecke tritt und diese für sie herumdreht.
Schweigend starren die beiden Männer auf das Gemälde. Es ist so still, dass Jemma sie atmen hören kann. O’Briens nasales Atemholen, das sich beschleunigt, sobald seine Augen auf das Bild gefallen sind, ist ihr eindringlich bewusst. Seine Augen mustern die Leinwand, nehmen jede Nuance in sich auf, jeden zarten Pinselstrich, und sein Mund verhärtet sich zu einem bitteren Grinsen. Gotardo reagiert darauf mit Verlegenheit, als versuche er sich davon zu überzeugen, dass es nichts gibt, weswegen er sich Sorgen machen müsste. Er betrachtet das Porträt und wendet sich dann ab, sucht zerstreut etwas in seinen Hosentaschen, um es dann erneut anzusehen.
Jemma erträgt es nicht länger, die beiden oder das Gemälde ansehen zu müssen. Noch nie hat sie sich derart bloßgestellt gefühlt und kann doch nur sich selbst die Schuld daran geben. Unfassbar, dass sie das zugelassen hat. Sie hätte wissen müssen, dass man kein Porträt malen kann, ohne sich damit selbst auf die eine oder andere Weise zu verraten. Entweder sich selbst zu verraten, indem man der Eitelkeit des Modells Vorschub leistet, oder die Gefühle zu verraten, die man für das Modell empfindet – seien diese positiv oder nicht. Dies war auch der Grund, weshalb sie sich immer
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