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Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Capp
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erreicht und die Tür hinter sich geschlossen haben, wirft Nathaniel sich auf das Bett, aber Jemma findet keine Ruhe. Sie wandert durch das Zimmer und streicht mit schlaffer Hand über alles, woran sie vorbeikommt – das Messingbettgestell, die Patchworkdecke, die Frisierkommode aus Rosenholz, die Rochester-Lampe. Weich fällt das Nachmittagslicht durch die Spitzenvorhänge und wirft filigrane Schatten an die Wände. Als sie sich dem Schrank nähert, erblickt sie sich im großen Spiegeloval: eine Fremde mit gehetztem Blick. Kann es sein, dass erst eine Woche vergangen ist, seit sie mit der eingewickelten Lucy im Arm von den Serafinis nach Hause gelaufen ist?
    Sie setzt sich auf die Bettkante. Ihr Unterwegssein hat alles erträglicher gemacht. Sie war Mrs. Elizabeth Wright, frisch verheiratet mit Mr. Jonathan Wright aus Melbourne, und sie waren unterwegs nach Settlers Cove, wo sie leben und arbeiten wollten. Dies war die Geschichte, die sie, wenn erforderlich, jedem erzählten. Aber jetzt sind sie allein und müssen keinem mehr etwas vorspielen, und Jemma hat Angst vor ihren Gedanken.
    Nathaniel zieht seine Uhr aus der Tasche. Sie müssen sich beeilen, so viel steht fest. Wenn sie noch besorgen wollen, was sie benötigen, müssen sie schnell los, denn die Läden schließen bald. Er hat so viel Erspartes dabei, dass sie sich damit gut ein paar Monate über Wasser halten können, doch er ist zuversichtlich, dass sie bald Arbeit finden werden. Im Warenhaus Ozone besteht Nathaniel darauf, Jemma einen Badeanzug zu kaufen, und schlägt dann vor, dass sie hinunter zum Amphitheater am Strand des Ozeans gehen, wo sie sich im Coffee Palace niederlassen und die Riesenwellen der Bass Strait beobachten können, die dort an die Felsen schlagen. Als sie wieder in ihr Hotel zurückkehren, ist es dunkel.
    Beim Abendessen im Speisesaal des Hotels erzählt Nathaniel von den Ferien, die er hier als Junge verbracht hat, als der Ort nicht mehr als eine Ansiedlung von Kalkbrennern und Fischern war, die in kleinen Häuschen am Strand wohnten. Er beschreibt ihr, dass es damals oben auf den Klippen einen Aussichtsturm gegeben habe, mit einer Glocke, die geläutet wurde, sobald ein großer Fischschwarm gesichtet wurde, und wie er dann an den Strand zu rennen pflegte, wenn die Fischerboote hereinkamen, damit er beim Einholen der Netze helfen konnte. Es stimmt ihn traurig, wie sehr der Ort sich verändert hat. Keine Fischerhütten mehr am Strand, man hat sie abgerissen, um für Schwimmbäder, Musikpavillons, Badehütten und all die anderen Einrichtungen Platz zu machen, die für ein modernes Seebad und als Tummelplatz der Vornehmen für notwendig erachtet werden. Man hat den rauen Zauber des Dorfes, das er einmal kannte, so gut wie wegpoliert, um den Anforderungen der Distinguiertheit und des Fortschritts gerecht zu werden.
    Er redet, um das Schweigen zu füllen, und fragt sich, ob Jemma überhaupt zuhört. Sie hat ihr Essen nicht angerührt und fast die ganze Zeit aus dem Esszimmerfenster auf das silbrige Dunkel der Bucht gestarrt. Immer mal wieder warf sie einen kurzen Blick auf die anderen Gäste im Raum. Ihr innerer Aufruhr lässt sich mit Händen greifen. Woran sie denkt, wagt er sich nicht zu fragen.
    Jemma ergreift das Buttermesser und untersucht die matte, flache Schneide, ehe sie ihre Aufmerksamkeit dem Spitzentuch mit den farbigen Perlen zuwendet, das über der Zuckerschale liegt. All diese seltsamen kleinen Objekte, die man normalerweise als gegeben hinnimmt und die für das zivilisierte Leben so wichtig zu sein scheinen. Unter diesen gut gekleideten, gut genährten Leuten begreift sie langsam, was es bedeuten könnte, die Menschen aus einer anderen Perspektive zu sehen, sich wie alle anderen zu geben und doch zu den lebenden Toten zu gehören.
    Sie erinnert sich an einen Cartoon in der Argus , inspiriert von der Kontroverse über Mr. Darwins Theorien, wo Affen mit Häubchen und Krinolinen, Westen und Zylindern gezeigt wurden. Wie die Überschrift lautete, fällt ihr nicht mehr ein, nur das Bild der schwatzenden Affen. Damit sollte die Evolution ins Lächerliche gezogen werden. Doch der Cartoonist hatte unwillentlich das Gegenteil bewirkt und ein Porträt von zivilisierten Männern und Frauen geschaffen, beherrscht von urzeitlichen Kräften, die sie weder begreifen noch kontrollieren können.
    Wieder wandert ihr Blick durch den Raum, und sie presst ihre zusammengeknüllten Handschuhe zusammen. Mit loderndem Blick erfasst sie diese

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