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Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Capp
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kultivierten Affen, die der Wahrheit nicht ins Gesicht zu schauen wagen. Alle sind sie versunken in ihrer eigenen kleinen Welt, reden und lachen und leben gelassen weiter, als gäbe es weder Leid noch Tod oder als wären diese nur ein Alptraum, aus dem es ein Erwachen gibt. Sie fühlt sich dem allem nicht zugehörig, doch auch als Gespenst ist man nicht taub. Und sie muss an sich halten, um nicht loszuschreien.
    Jemma wendet sich an Nathaniel und sagt leise, aber mit Nachdruck: »Ich hasse jeden, auf den mein Blick fällt.«
    Behutsam legt er seine Hand auf ihre Faust. »Jeden?«, fragt er lächelnd. Ihre Wut weckt in ihm eine seltsame Erregung. Zum ersten Mal in seinem Leben ist er mit einer Frau zusammen, die er nicht in Schach halten möchte, einer Frau, die er vor allem glücklich machen möchte. Sie müssen weg aufs Land, weg von den Leuten und von der Gesellschaft und den neugierigen Blicken. Er hat dem Hoteldirektor mitgeteilt, dass sie eine Anstellung suchten, idealerweise auf einem großen Anwesen. Und offenbar habe der Leiter einen Narren an ihnen gefressen, denn er hole Erkundigungen ein, wie Nathaniel ihr berichtet.
    Jemma lacht darauf mutlos. »Wenn er nur wüsste, was in den Zeitungen steht. Aber wer würde uns glauben, wenn wir die Wahrheit erzählen? Denn warum laufen wir dann davon, wenn wir doch unschuldig sind?«
    »Im Lauf der Zeit wird die Welt die Wahrheit erfahren.« Seine Stimme klingt überzeugt. Er muss daran glauben, dass er sie aus O’Briens Klauen gerettet hat. Denn ansonsten hätte er sie nur von ihrem Zuhause und ihrem Ehemann und allem, was sie liebt und kennt, weggeschleppt, und dies aus keinem guten Grund außer dem, dass er sie für sich haben wollte. Er hatte davon geträumt, dass sie zusammen durchbrennen würden, und jetzt war es geschehen. Aber in seinen Träumen gab es weder Kummer noch Schuld.
    In jener Nacht träumt Jemma, dass sie auf dem Dampfer fährt und ins Wasser starrt, wo sie auf dem sandigen Grund etwas entdeckt. Mit einem stillen Schrei reagiert sie auf die dunklen Augen eines Kindes, die wartend zu ihr hochblicken. Flink wie ein junges Mädchen klettert sie über die Reling und taucht hinab in das durchsichtige Blau, bis sie nah genug ist, um den winzigen Körper packen zu können. Da sie das Kind an ihre Brust drückt, hat sie nur eine Hand frei, mit der sie gegen den Sog ihres Kleides und des erstarrenden Wassers nach oben krault. Auf der Wasseroberfläche hat die Sonne einen Lichtkranz wie am Ende eines Tunnels gebildet, den sie schon fast erreicht hat. Aber kurz bevor sie ihn durchbricht, erwacht sie in einem dunklen Hotelzimmer, die leeren Arme an ihre Brust gedrückt.
    Nathaniel zieht sie an sich heran. »Du hast geschluchzt.«
    Jemma kann nicht sprechen. Sie schiebt ihr Gesicht zu den weichen Kringeln seiner Brusthaare und sucht dann verzweifelt seinen Mund. Sie schluchzt wieder, krallt ihre Finger in sein Haar und gräbt ihre Zähne in seine Lippen.
    Nathaniel stöhnt, als seine Lippen unter ihren Bissen zu bluten anfangen. Bis jetzt sind sie beinahe keusch miteinander umgegangen. Mehr als einen gelegentlichen Kuss auf ihre Stirn hat er sich nicht erlaubt. Der Zeitpunkt war nie danach gewesen, mehr zu wagen, und er hatte sich ihr nicht aufdrängen wollen. Sie wollte von ihm getröstet werden, mehr jedoch nicht, wie er glaubte. Und er war willens zu warten, bis sie bereit dazu war. Er hatte schon so lange gewartet, dass er auch noch länger warten konnte.
    Doch jetzt wendet sie sich ihm plötzlich ohne Vorwarnung, ohne auch nur ein Wort voller Erregung zu. Sobald er sie berührt, schmilzt sie dahin und bedrängt ihn weiterzumachen. Entfesselt von ihrem Kummer gibt es für sie kein Tabu mehr. Für diese Art des Liebesspiels gibt es keine Regeln, sie müssen sie neu erschaffen. Er hat das Gefühl, mit ihr ins Dunkle zu fallen, in einen weiten Raum ohne Schwerkraft. Wie Meteore, die vor Hitze glühen. Jemma reißt mit ihren Fingernägeln an seinen Schultern, kämpft gegen ihn an und zieht ihn heran, quält sich, um die Leere zu füllen, die nicht gefüllt werden kann. Sie kratzt und beißt ihn, als wollte sie ihn anstacheln, ihr ebenfalls Schmerz zuzufügen.
    Ihm ist klar, was sie sucht. Vernichtung. Um für nichts anderes mehr zu existieren. Aufgezehrt zu werden vom Feuer ihrer beider Körper. Es würde ihn nicht überraschen, wenn am Morgen von ihnen nichts mehr übrig wäre als ein Häufchen Asche und Knochen. Als willfähriger Sklave ihrer Wünsche

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