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Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Capp
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erzählt ihr Geschichten, die seine Mutter ihm einst erzählt hatte, bevor er sein Gesicht auf den Grashügel legt und Gute Nacht sagt. Und dabei nährt er die Hoffnung, eines Tages, wenn er sich dem Friedhof nähert, die vertraute Gestalt seiner Frau über das Grab gebeugt anzutreffen. Und sie, nachdem sie ihrem Mädchen Gute Nacht gesagt haben, gemeinsam durch die hereinbrechende Nacht nach Hause gehen.
    Es ist eine Fantasie, das weiß er – genauso wie er weiß, dass der Brief, nach dem er sich so sehnt, nie eintreffen wird –, und auch, dass noch mehr Leid auf ihn wartet, sollte diese Fantasie Wirklichkeit werden. Denn nicht nur Gotardos Post wird täglich verletzt. Selbst auf dem Friedhof ist Gotardo selten allein. Immer lauert der Senior Sergeant oder einer seiner Männer irgendwo in der Nähe, beobachtet und wartet darauf, dass Jemma Musk zurückkommt.

39
    Die letzte Hitze des Herbstes lodert in den goldenen Heuhaufen auf, die auf dem Weg zwischen Flinders und Red Ridge wie baufällige Hütten über die Felder verteilt sind. Als Nathaniel an der Einfahrt vom Veloziped steigt, liegt noch immer ein Lächeln auf seinem Gesicht. Sein Baumwollhemd klebt ihm am Körper, seine Beine schmerzen, und seine Pobacken sind taub. Klappergestell ist das richtige Wort dafür, sagt er sich, aber es tut gut, so durchgerüttelt zu werden. Er versteckt das Fahrrad in einem Busch neben dem Eingangstor und geht die letzten hundert Meter zum Haus zu Fuß.
    Er trifft sie allein im Wohnzimmer an. »Jemma!«, flüstert er, »ich will dir was zeigen.«
    Jemma zuckt zusammen, als sie ihren Namen hört, obwohl er geflüstert wird und keiner in der Nähe ist. Sie wirft ihm einen warnenden Blick zu, auf den Nathaniel mit einem trotzigen Grinsen reagiert.
    »Keine Fragen.«
    Am Ende der Einfahrt sagt er ihr, sie solle die Augen schließen. »Lass sie geschlossen, bis ich dir Bescheid gebe!« Er holt sich das Fahrrad und schiebt es ein Stück die Straße hinauf. An der Bergkuppe steigt er auf, setzt sich in Bewegung und ruft ihr zu, sie könne die Augen aufmachen.
    Jemma blinzelt, und ihr bleibt der Mund offen stehen, als sie ihn auf diesem zweiräderigen Gefährt den Berg herunterrollen sieht, wunderbarerweise ohne zu stürzen. Er winkt ihr im Vorbeisausen zu, und seine Füße treten kräftig in die Pedale, während er den nächsten Berg erklimmt. Seine Weste ist aufgegangen und flattert, und seine Hemdsärmel werden vom Wind aufgebläht. Gleich, nachdem er die Bergkuppe erreicht hat, macht er ein wenig unsicher kehrt und kommt dann mit in den Himmel gereckten Armen wieder heruntergerauscht und jauchzt dabei wie ein Junge. Mit geröteten Wangen und bebenden Nasenflügeln kommt er wackelig vor ihr zum Stehen.
    Jemma wartet, bis er wieder Luft bekommt.
    »Das ist für dich«, grinst er.
    Sie starrt erst ihn und dann das Fahrrad an. Sie war sich ganz sicher gewesen, dass er herunterfallen und sich womöglich das Genick brechen würde – vor allem, als er seine Hände von der Lenkstange nahm –, und sie steht noch immer unter Schock. Doch dieser legt sich rasch, während sich etwas anderes in ihr zu regen beginnt, ein Teil von ihr, den sie kaum noch kennt. Ein kleines Lächeln zupft an ihren Lippen.
    »Du bist verrückter, als ich dachte, Nat.«
    »Viel verrückter. Du hast ja keine Ahnung.«
    Sie sehen sich in die Augen, wie sie das seit Wombat Hill nicht mehr getan hatten, als kühne Blicke das Intimste waren, was sie sich erlauben konnten.
    »Also dann?«, fordert Nathaniel sie auf. »Mr. Coombs sagt, in Frankreich sei das der letzte Schrei.«
    » Alors «, erwidert Jemma mit gekünstelter Ernsthaftigkeit und versucht dabei ihre Nervosität zu verbergen. Dieses Gerät scheint der Schwerkraft zu trotzen. Sie kann sich nicht vorstellen, wie es aufrecht bleiben kann. Doch Nathaniel hat sich solche Mühe gegeben, und es sieht verlockend aus und ganz so, als könnte es Spaß machen, auch wenn dieser ein wenig riskant sein dürfte. Aber hat sie sich je vom Risiko abschrecken lassen? Sie leben es als Dauerzustand, was also hat sie zu verlieren?
    Die vorrangigste Frage ist allerdings, was macht sie mit ihrem Rock? Sie vergewissert sich, dass sich keiner auf der Straße nähert, bevor sie ihn in ihre Unterhose steckt.
    »Ich warne dich, Nat, lach bloß nicht!«
    Nathaniel erteilt ihr einige Ratschläge, und als sie bereit ist, gibt er ihr an einem kleinen Abhang einen Schubs und rennt, mit einer Hand die Lenkstange haltend, neben ihr her. Damit

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