Sehnsucht und Erfüllung
Vaterschaftstest. Er betrachtete Brianna. Sie sah Kelly ähnlich und doch auch nicht. Ihr Grübchen am Kinn hatte sie wohl von Jason und ihre Augenfarbe auch. Zärtlich strich er der Kleinen über die seidigen blonden Löckchen. Wie es wohl ist, sich in einem Kind wiederzuerkennen, grübelte er. Natürlich hatte er bei Evan nach eigenen Merkmalen gesucht, und später hatte sich alles als großer Irrtum erwiesen.
Als Kelly und Brianna endlich aufgerufen wurden, begann Brianna laut zu weinen. Shane stand auf, doch Kelly wollte nicht, dass er sie begleitete.
Da er schon einmal stand, besorgte sich Shane einen Becher Kaffee und ging dann ins Wartezimmer zurück. Die Warterei schien kein Ende nehmen zu wollen.
Hatte Kelly ihn abgewiesen, um ihm bittere Erinnerungen zu ersparen? Oder wäre es ihr unangenehm gewesen, mit einem Mann ins Labor zu kommen, wo doch die Vaterschaft ihres Kindes ungeklärt schien?
Im Stillen verwünschte er Jason erneut.
Als Kelly zurückkam, weinte Brianna noch immer leise.
“He, kleiner Sonnenschein.” Shane drückte dem Baby einen zärtlichen Kuss auf die Stirn.
“Sie hatte solche Angst.”
“Ich weiß.” Auch Evan hatte damals geweint. “Komm, lass uns von hier verschwinden.”
Auf der Rückfahrt nach Duarte schlief Brianna zu Shanes Erleichterung schnell ein. Kelly war auffallend still.
“Werden sie dir die Ergebnisse zuschicken?”, fragte Shane, obwohl er die Antwort wusste. Doch das Thema zu meiden, würde die Anspannung nur verschlimmern.
“Ja. Sobald ein Vergleich vorgenommen wurde, werden wir beide, also Jason und ich, eine Kopie des Untersuchungsergebnisses bekommen.”
Wir beide. Die Zusammengehörigkeit, die dieser Begriff ausdrückte, versetzte Shane einen Stich. Wie konnte Jason Kelly und Brianna links liegen lassen, wenn er erst einmal die Wahrheit kannte?
“Wie lange soll es denn dauern?”
“Zwei bis drei Wochen. Es ginge schneller, wenn wir alle drei zum gleichen Labor gegangen wären, aber so ist es mir lieber. Ich kann warten, bis Jason sich bei mir meldet.”
Statt Briannas Vater erneut zu verdammen, schalt Shane sich selbst. Es wäre gut, wenn Jason Anspruch auf seine Tochter erheben würde, und doch wurde Shane bei dem Gedanken von tiefer Eifersucht und Verzweiflung gepackt.
Er hatte Tami und Evan verloren, und bald würde er auch Kelly und Brianna verlieren. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Jason Collier beanspruchte, was ihm von Rechts wegen zustand.
In den folgenden Wochen wurde der Frühling vom Sommer abgelöst, die Temperaturen stiegen, es regnete seltener. Doch Kellys Gedanken waren nicht beim Wetter. Die Ergebnisse des Vaterschaftstests lagen noch nicht vor, also hatte sie auch noch nichts von Jason gehört. Natürlich dachte sie an diesem Frühsommerabend auch nicht an Jason, sondern an Shane.
Sie schüttelte die Kissen auf, die auf der Schlafcouch lagen. War es zu auffällig? Würde er Bescheid wissen, sobald er das Blockhaus betrat? Sie sah zu Brianna hinüber. Das Kind lag in einem Babykörbchen, das zu einer Schaukel gehörte, die Shane besorgt hatte. Noch ein großzügiges Geschenk, das in absehbarer Zeit nach Ohio verfrachtet werden musste.
Aber Kelly wollte jetzt nicht an ihre Abreise denken. Nicht während sie Vorbereitungen für eine Verführung traf.
Als es klopfte, bekam sie einen Riesenschreck. Lieber Himmel, war sie bereit? Konnte sie das wirklich tun?
“Komm herein, es ist offen!”, rief sie.
Lächelnd betrat Shane das Haus. Seine Jeans saß perfekt, sein Hemd hatte Druckknöpfe, sein Gürtel eine silberne Schnalle. Heute Abend war es irgendwie wichtig, was er anhatte. Sie selbst trug ein Sommerkleid aus dem Kaufhaus in der Stadt.
Plötzlich warf er einen skeptischen Blick auf die Schlafcouch. Kelly verschränkte nervös die Hände ineinander.
“Hast du hier geschlafen? Bist du krank?”
“Nein. Ich habe die Couch für uns hergerichtet”, sagte sie, froh, dass ihr nicht anzuhören war, wie heftig ihr Herz klopfte. “Ich dachte, wir könnten es uns bequem machen und einen Film anschauen.”
“Gute Idee. Sonnenschein mag ihre Schaukel offenbar.”
“Sie liebt sie.” Kelly ging zu ihrer kleinen Tochter. “Es ist allerdings Zeit für ein Fläschchen.”
“Darf ich es ihr geben?”
“Aber natürlich.”
Etwas später saß Shane mit Brianna im Arm im Sessel neben dem Kamin. Er wirkte sehr väterlich, und Kelly krampfte sich das Herz zusammen. Er vergötterte ihre Tochter, und ihre Tochter vergötterte
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