Sehnsucht und Erfüllung
“Für mich war es nicht besonders schön. Nicht, weil es anfangs ein wenig wehtat. Es war einfach anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Unsere Wunschträume stimmen eben nicht immer mit der Wirklichkeit überein.”
“Da hast du wohl recht.” Shane senkte den Blick. “Weißt du, was für mich schrecklich war?” Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr er fort: “Dass meine Frau sich einen Geliebten nahm. Ich kam mir dadurch so verdammt unzulänglich vor, als hätte ich sie womöglich die ganze Zeit nicht sexuell befriedigen können.”
Kelly berührte seine Hand und zwang ihn so, sie anzusehen. “Eine Frau, die dich aufgibt, muss verrückt sein.”
Ihre Aufrichtigkeit tat ihm wohl. “Danke.”
Danach saßen sie eine Weile schweigend auf dem Sofa, während Brianna in ihrem Bettchen strampelte und zufrieden vor sich hin brabbelte.
“Shane?”
“Ja?”
“Was findest du bei einer Frau sexy?”
Weizenblondes Haar, hätte er am liebsten geantwortet. Sommersprossen und Küsse im Mondschein. “Das kann ich nicht so genau sagen. Alles Mögliche, glaube ich.”
Kelly stand auf und trat an Briannas Bettchen. “Weißt du, was ich sexy finde?”, fragte sie, während sie eine Spieluhr mit Teddybärmotiven aufzog.
“Nein, was denn?”
“Einen Mann, der Kinder mag.”
“Ja?” Er musste grinsen. “Dann entscheide ich mich für Mutterschaft.”
“Ach, das sagst du nur so.”
“Nein, bestimmt nicht. Die Mutterschaft macht eine Frau irgendwie wirklicher. Weicher. Sexy auf dezente Art.” Die Spieluhr spielte ein Schlaflied. “In der Woche nach Briannas Geburt habe ich nicht viel geschlafen”, bekannte er. “Ich war jedes Mal wach, wenn du die Kleine gestillt hast. Ich hielt die Augen zwar geschlossen, konnte aber alles hören.” Kelly verschlug es den Atem, und plötzlich schämte sich Shane. “Es tut mir leid, ich hatte kein Recht, an diesen intimen Augenblicken teilzuhaben.” So sehr er sich das aus seiner eigenen Einsamkeit heraus auch gewünscht hatte.
Sie kam zu ihm. “Ich hatte dich eingeladen, erinnerst du dich? Ich wollte dich bei mir haben.”
Er suchte ihren Blick. “Küsst du mich?”
Da setzte sie sich lächelnd auf seinen Schoß und ihre Lippen fanden sich. Er überließ ihr die Führung, ließ sie seinen Mund erforschen. Ihr Geschmack berauschte seine Sinne.
Sie bewegte die Hüften. Das geschieht natürlich unbewusst, schoss es Shane durch den Kopf. Ein weiblicher Reflex auf die männliche Erregung, die sie deutlich spüren musste.
Er ahnte, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben die Initiative ergriff, und zwang sich stillzuhalten. Er würde sie nicht drängen und weiter gehende Zärtlichkeiten fordern. Körperlich war sie nach der Geburt ihres Kindes noch nicht bereit zur Liebe. Was ihre Gefühle anging, war er sich nicht sicher. In ihren Augen spiegelte sich Stärke wider, aber auch eine gewisse Verletzlichkeit.
Statt sie zu berühren, flüsterte er ihr etwas ins Ohr. Sie würde die Sprache der Komantschen nicht verstehen, seine Botschaft jedoch erahnen. Wenn sie ihn auch wollte, würde er sich gedulden.
Brianna begann zu weinen, und Shane und Kelly schreckten auf.
Kelly ging zu ihrer Tochter hinüber, und auch Shane stand auf. Das erotische Knistern war verflogen, doch andere Emotionen blieben. Zärtlichkeit. Menschliche Wärme. Eine tiefe Verbundenheit, die er einfach nicht leugnen konnte.
Nach dem Windelwechseln kitzelte Kelly Brianna den Bauch, und das Baby gluckste vergnügt. Shane musste lächeln. Im Moment gehörten Kelly und ihre Tochter zu ihm. Und er wollte diesen Moment nicht durch trübe Gedanken an die bevorstehende Trennung verderben. Bis zum Montag war es noch gut eine Woche hin.
Am Montagnachmittag saß Shane im Warteraum des Krankenhauslabors. Er hasste die ganze Atmosphäre, aber am meisten hasste er die Erinnerung an eine ähnliche Situation.
Brianna war während der langen Autofahrt ziemlich quengelig gewesen. Aber er verstand, warum Kelly den weiten Weg in Kauf genommen hatte. Ihr war ein großes, unpersönliches Krankenhaus in der Stadt lieber. Niemand würde sie dort kennen und sich wundern, dass sie einen Vaterschaftstest machen ließ.
Für die Genanalyse musste sowohl Brianna als auch Kelly Blut abgenommen werden. Und natürlich auch dem mutmaßlichen Vater.
Zum Teufel mit Jason Collier. Kelly verdiente es nicht, dass sie diese Prozedur über sich ergehen lassen musste.
Und Shane erinnerte das Ganze nur allzu schmerzlich an seinen eigenen
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