Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sehnsucht

Sehnsucht

Titel: Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang R. Hantel-Quitmann
Vom Netzwerk:
Sie gerne hören wollen und wenn es nicht passt, klicken Sie weg? Klingt ganz schön kontrollierend, da haben Sie die Macht und können entscheiden.
    Das hört sich jetzt aber hart an, wie Sie das sagen.
    Im Internet würden Sie mich jetzt wegklicken?
    Wahrscheinlich (lacht).
    Und wie ist es mit der Macht und Kontrolle und der Sehnsucht in Ihrer Partnerschaft?
    Tja, das ist eine lange Geschichte.
    Manchmal bleiben nach einem Gespräch nur bestimmte Stichworte im Kopf hängen, hier waren es die Begriffe: Macht und Kontrolle, Wertschätzung und Sehnsucht. Wir haben diese Themen in der Paartherapie vertieft und auch ihrem Mann fiel einiges dazu ein.
    Die Paarbeziehung war in der Entwicklung blockiert, beide verteidigten seit einiger Zeit in einer Art Stellungskrieg ihre Machtpositionen – das Geld bei ihm und der Sex bei ihr. Wir haben darüber gesprochen, wie es in der Beziehung weitergehen soll, was jeder für sich und was die Paarbeziehung braucht. Die Frau hatte die Sehnsucht nach einem Kind, sie war 36 Jahre alt, und zugleich war sie unzufrieden mit ihrem Leben als Hausfrau. Wenn sie kein Kind bekomme, dann wolle sie wieder arbeiten gehen, sagte sie. Der Mann hatte beides bislang verhindern können und war in seinem Kinderwunsch sehr ambivalent. So kamen wir auf das Thema Kinderwunsch zu sprechen, was offensichtlich mit einer tiefen und sehr komplizierten Sehnsucht beider Partner verbunden war.
    Ein Kinderwunsch hat in der Regel viel mit den eigenen Kindheits- und Familienerfahrungen zu tun. Er war der Sohn einer alleinerziehenden Mutter gewesen, die das uneheliche Kind immer sehr behütete, weil sie zuvor schon einmal ein Kind verloren hatte und nach ihm auch kein weiteres mehr bekam. Deshalb hatte sie während seiner ganzen Kindheit hinter ihm gestanden und auf ihn aufgepasst. Er hatte eine tiefe Sehnsucht nach seinem Vater gehabt, den er aber nie kennenlernte. Seine Mutter empfand er einerseits als sehr umsorgend, andererseits habe sie beständig Macht über ihn ausgeübt, ihn bevormundet, kleingehalten und sehr symbiotisch mit ihm gelebt. Noch im Alter von 15 Jahren habe sie ihm als Junge in der Badewanne die Fußnägel geschnitten. Als er dies erzählte, spürte er noch die Scham und die Wut über diese Art der Behandlung. Er fand seine Mutter übergriffig und meinte, er sei in einer Dunstglocke groß geworden. Ja, er habe sich immer einen Vater gewünscht, der ihn daraus befreit. Wenn so Kindheit sei, dann wolle er das seinem eigenen Kind lieber ersparen. Seine Frau war daraufhin sehr wütend geworden, weil er ihr doch damit unterstellte, dass sie auch eine solche Übermutter wäre, wie es seine Mutter war. Ehrlich gesagt, meinte er, habe er schon einige deutliche Anzeichen dafür bei ihr festgestellt, und er bleibe dabei, das wolle er seinem Kind ersparen. Nach dieser Sitzung haben sie zwei Wochen lang bis zur nächsten kaum miteinander geredet.
    Sie dagegen stammte aus einer kinderreichen Familie mit sechs Kindern, in der sie das fünfte war. Ihre großen Schwestern haben sie großgezogen, ihre Eltern habe sie kaum gesehen, weil beide voll arbeiteten. Sie wurde wie eine Puppe von den großen Geschwistern überallhin mitgeschleppt. Auch für sie war die Kindheit nichts Angenehmes gewesen und sie hatte sich immer wieder gefragt, warum ihre Eltern sie überhaupt bekommen hatten. Ein Jahr nach ihr war ihre kleine Schwester geboren worden, die dann all die Aufmerksamkeit bekam, die sie sich immer gewünscht hatte, und sie war abgemeldet. Während ihr Mann nach eigenem Erleben als Kind zuviel Fürsorglichkeit kennengelernt hatte, war es ihr umgekehrt ergangen, sie hatte von allem viel zu wenig bekommen. Das gehe ihr heute noch so, daher ihr ganz besonderes Bedürfnis nach Nähe, Zuwendung, Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Liebe. Ja, bekannte sie offen, bei ihr bestehe die berechtigte Gefahr, dass sie sich sehr um ihr eigenes Kind sorgen würde, und es könne durchaus sein, dass ihr Mann dies gespürt habe. Sie wolle ihrem Kind aber nur das geben, was sie selbst in ihrer Kindheit vermisst hatte.
    Nur scheinbar hatten sie zwei verschiedene Kindheiten gehabt, in der er zuviel und sie zuwenig Aufmerksamkeit bekommen hatte. Im Grunde waren dies nur zwei verschiedene Seiten der gleichen Medaille gewesen, denn beide waren nicht als die Kinder geliebt worden, die sie waren. Seine Mutter hatte ihn emotional benutzt und

Weitere Kostenlose Bücher