Sehnsucht
»oben« verortet, das andere »unten«, in den Abgründen.
Tiere, Pflanzen und alle Menschen leben im Paradies in Harmonie miteinander ohne Kriege, Hunger, Durst, Krankheit und Unterdrückung. Es herrschen Frieden, Gerechtigkeit, Gleichheit und ewiges Leben. Beschreibungen des Paradieses finden sich in allen Kulturen und Religionen, insbesondere der Bibel und dem Koran.
Im psychologischen Sinne ist das Paradies immer eine Metapher für ein umsorgtes und beschütztes Leben im Kreise der Familie gewesen. So spricht man von der Vertreibung aus dem Paradies, wenn ein Einzelkind ein Geschwisterkind bekommt und dann nicht mehr allein alle Aufmerksamkeit und Liebe der Eltern bekommt. Auch die Jugendzeit, die mit der Ablösung von den Eltern endet, wird mit einer Vertreibung aus dem Paradies gleichgesetzt. Wahrscheinlich gibt es nur wenige Sozialromantiker, die das Leben in einer Familie als ein Paradies ansehen würden. Der Vergleich mit der Hölle würde schon eher auf Zustimmung stoÃen und dies nicht nur bei pubertären Jugendlichen.
Die groÃe Ordnung
Schon vor ca. 2400 Jahren hat Platon mit seinem Werk Politeia einen utopischen Entwurf eines Staates beschrieben, der wahrscheinlich ein reales Vorbild in Sparta hatte 86 . Darin spricht er sich für die Abschaffung des Privateigentums aus, es sollte nur noch das Gemeineigentum geben. Alle Bürger sollen also alles gemeinsam besitzen und sich wie Freunde alle Güter teilen, auch die Frauen. Sein Thema ist nicht die Freiheit, Gleichheit oder Gerechtigkeit, sondern die Frage der richtigen Ordnung in einem modernen Staatswesen. Diese Ordnung ist hierarchisch und ergibt sich aus der naturbedingten Ungleichheit der Menschen: Es gibt Menschen wie Gold, die eine Elite darstellen und eher Philosophen und andere Gelehrte sind, andere wie Silber und wieder andere wie Eisenerz, die Arbeiter und Bauern sein sollten. Für den einzelnen Menschen gehe es nicht darum, seine individuellen Bedürfnisse zu befriedigen, sondern seinen Platz in der Hierarchie zu kennen und einzunehmen, also dem Ganzen zu dienen. Wenn es allen gut gehe, dann gehe es auch den Einzelnen gut, anders ausgedrückt: Das Glück des einzelnen besteht darin, dem Staat zu dienen und damit zum Gemeinwohl beizutragen. Eine moderne Variante hat J. F. Kennedy durch seinen Ausspruchgeprägt: Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, frage, was du für dein Land tun kannst!
Für die privaten Beziehungen in Platons Staat bedeutet dies, dass nur die Tapferen und Besten miteinander Geschlechtsverkehr haben sollten, um den Jünglingen, die sich wacker im Kriege oder sonst wo gezeigt haben ⦠reichlichere Erlaubnis zur Beiwohnung der Frauen, damit zugleich auch unter gerechtem Vorwand die meisten Kinder von solchen erzeugt werden 87 . Ehe und Familie haben eine geringe Bedeutung: Eher geht es darum, dass diese Weiber alle allen diesen Männern gemeinsam seien, keine aber irgendeinem eigentümlich beiwohne, und so auch die Kinder gemeinsam, so dass weder ein Vater sein Kind kenne, noch auch ein Kind seinen Vater 88 . Diese staatlich gelenkte Zeugung der Kinder soll aber nur so lange gelten, wie die Menschen fruchtbar sind, danach können sie sich mischen und paaren, wie es ihnen beliebt. Frauen sind aber in Platons Staat nicht für Schwangerschaft und Geburt, Heim und Herd zuständig, sondern in allen Belangen den Männern gleichgestellt. Männer und Frauen erhalten die gleiche körperliche und musische Erziehung, können alle Berufe frei wählen, und Frauen trainieren sogar nackt zusammen mit den Männern in den Gymnasien. Eine wahrhaft utopische Idee, die nach meiner Kenntnis bis heute noch nirgendwo realisiert wurde.
Utopia
Das Paradies, den Entwurf einer idealen humanistischen Gesellschaft, nennt man seit 500 Jahren eine Utopie. Der Begriff geht auf den englischen Staatsmann und Philosophen Thomas Morus zurück, der 1516 ein Buch über eine Insel am Ende der Welt veröffentlichte, die er Utopia, wörtlich übersetzt Nicht-Ort nannte: De optimo reipublicae statu, deque nova insula Utopia . Während heute für die meisten Menschen die ideale gesellschaftliche Utopie eher in der Zukunft liegt, war das damalige Denken am geografisch Unerreichbaren orientiert. Man kann es auch so interpretieren: Da wir heute die Welt bis in die hintersten Winkel kennen, wissen wir, dass auf diesem Planeten keine ideale menschliche
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