Sehnsuchtsland
!« Glücklich lachend sprang sie auf und kam ihm mit großen Schritten entgegen. Er versuchte, sich seine Panik nicht anmerken zu lassen, während er auf sie zuging. Sie hatte neben dem großen Schiffsmodell auf seinem Arbeitstisch eine der neueren Zeichnungen ausgerollt und deutete auf ein technisches Detail. »Das sieht toll aus! Ich habe nur ein paar Fragen dazu. Ist der Führerstand nicht ein wenig zu eng?« Eifrig trat sie zurück und deutete auf eine weitere Zeichnung, die auf dem Reißbrett neben dem Fenster befestigt war. »Und welche Materialien hast du für die Böden unter Deck vorgesehen?«
Rabenschwarze Verzweiflung stieg in ihm auf, als er ihr fröhliches, argloses Gesicht sah. »Linda, ich muss mit dir reden!«
»Nicht nötig.« Lächelnd umfing sie ihn mit beiden Armen und drückte ihn an sich. Ihre Lippen fanden seinen Mund zu einem kurzen, aber intensiven Kuss. »Ich werde diesmal Nägel mit Köpfen machen«, verkündete sie. »Ich habe mich entschieden, in die Werft zurückzukommen. Ich lasse mir von Papa die Geschäftsleitung übertragen. Und dann rede ich mit Nils.«
Henrik hatte geglaubt, dass die ganze Situation schon verfahren genug sei, aber als im nächsten Moment die Tür aufging und Gunilla hereinspaziert kam, wurde ihm klar, dass es noch schlimmer werden würde.
» Hej , Linda. Was machst du denn hier?«
»Und du?«, fragte Linda.
»Ich komme wieder zurück. Ich werde Papa in so einer Situation nicht im Stich lassen.«
»Nein, das ist nicht nötig«, widersprach Linda hastig. »Mach dir keine Sorgen, fahr nach London! Ich kümmere mich hier um alles.«
»Das ist nett von dir, Linda, doch völlig überflüssig.«
Henrik hätte gern irgendetwas unternommen, um diesen grotesken Zustand zu beenden, doch er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er den Lauf des Schicksals aufhalten sollte. In Lindas Augen erkannte er Erstaunen, Widerwillen und eine Spur von Furcht, und sie rang sichtlich um Fassung, als Gunilla sich bei ihm einhängte und in vergnügtem Tonfall hinzufügte: »Gott sei Dank habe ich begriffen, was wirklich wichtig ist. Meine Familie, mein Mann...« Sie blickte lächelnd zu Henrik auf, bevor sie sich auf die Zehenspitzen stellte und ihn auf die Wange küsste. »Und unser Baby.«
Erschüttert sah Henrik, wie Linda zusammenfuhr und sich mit zitternden Lippen wegdrehte. Dann wandte sie sich wieder zu ihm um und starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Henrik wollte etwas sagen, doch er brachte keinen Ton heraus. Gunilla hatte dieses Problem nicht. »Du kannst uns gratulieren, Linda, wir bekommen tatsächlich ein Kind«, sagte sie in aufgeräumtem Plauderton, während sie den Raum durchquerte und vor Linda stehen blieb. »Und Papa sein erstes Enkelkind! Glaub mir, eine bessere Medizin gibt es nicht für ihn.« Lässig ging sie um den Schreibtisch herum und ließ sich in Henriks Arbeitssessel fallen. »Ich werde Papas Nachfolge in der Werft antreten. Du kannst in aller Ruhe in dein Leben zurückkehren.« Beschwingt drehte sie den Sessel von einer Seite zur anderen. »Und in ein paar Wochen sehen wir uns alle bei deiner Hochzeit.«
Linda hatte beide Hände auf ihren Magen gepresst. Ihr Gesicht war völlig blutleer. »Ich muss hier raus«, murmelte sie kaum hörbar.
Halb stolpernd, halb rennend flüchtete sie zur Tür, die eine Sekunde später krachend hinter ihr ins Schloss fiel.
Gunilla hob die Brauen. »Sag mal, was ist denn bloß mit ihr los?«
Heiße Wut brandete in ihm auf. »Das fragst du noch? Kannst du dir das nicht denken?« Mit riesigen Schritten eilte er zu seinem Schreibtisch, packte den Stuhl bei den Lehnen und schwenkte ihn mit einem Ruck zu sich herum. »Du kommst und gehst, wie es dir gefällt«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Du wirfst ihr Leben durcheinander und unser aller Leben gleich dazu — aber das scheint dich überhaupt nicht zu interessieren!«
Ihr Gesicht verschloss sich, während sie sich unter seinem Arm wegduckte und aufstand. »Was hat Lindas Leben mit meinen Entscheidungen zu tun?«
»Sie hat gerade eben beschlossen, in die Firma zurückzukommen!«
»Das glaubst du doch selbst nicht. Sie behauptet es vielleicht jetzt, aber wenn es ernst wird, ist sie genauso schnell wieder weg wie damals.«
»Du kennst deine Schwester sehr schlecht«, entfuhr es ihm.
Sie warf ihm einen schnippischen Blick zu, und voller Entsetzen wurde Henrik gewahr, dass seine Hände zitterten, so sehr verlangte es ihn plötzlich
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