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Sehnsuchtsland

Sehnsuchtsland

Titel: Sehnsuchtsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
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noch in die Werft.«
    Er wollte an ihr Vorbeigehen, doch sie hielt ihn am Arm fest. »Lass mich nicht allein, Henrik!«
    Befremdet blickte er auf ihre Hand, die sich in seinem Ärmel verkrallt hatte. »Ich bitte dich, Gunilla. Was soll denn das?«
    Sie ließ ihn nicht los, sondern rückte näher an ihn heran und fuhr mit der freien Hand über seine Brust. Die Wolle seines Pullovers knisterte unter ihren Fingerspitzen. »Vielleicht ist es ein Wink des Schicksals«, raunte sie mit gesenkten Blicken.
    »Was?«
    »Dass Papas Krankheit mich zurückgeholt hat.«
    Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Der Schlaganfall ihres Vaters war ebenso wenig der Grund für ihre Rückkehr wie diese allzu plötzlich neu erwachte Sympathie für ihren Ehemann. Natürlich interessierte ihn ihr wirkliches Motiv, doch im Moment war ihm nicht danach, mit ihr darüber zu reden, zumal sich dadurch an der zwischen ihnen beiden bestehenden Situation sowieso nichts ändern würde. Was immer sie ihm zu erzählen wünschte, es hatte Zeit bis morgen. Im Augenblick wollte er seine Ruhe, sonst nichts.
    »Es ist spät, Gunilla. Geh schlafen. Wir sehen uns morgen.« Bei seinen letzten Worten war er bereits auf der Treppe. Als er weiter unten noch einen Blick zurückwarf, sah er, dass sie oben stehen geblieben war und ihm grübelnd hinterherstarrte .

    *

    Der Vollmond stand wie die große gelbe Scheibe am Himmel und tauchte die Umgebung der Hütte in ein unwirklich bleiches Licht. Henrik hatte in seinem Büro eine Weile über dem neuen Entwurf gebrütet, doch seine Gedanken hatten sich alle paar Minuten verselbstständigt, bis er schließlich kurz entschlossen hier rausgefahren war. Wenn er schon nicht arbeiten konnte, würde er wenigstens versuchen, zu schlafen.
    Der Schlüssel war nicht an der gewohnten Stelle, und zu seiner Verwunderung ließ sich die Tür öffnen, obwohl er sicher war, dass er heute Morgen abgeschlossen und den Schlüssel wie immer auf dem Sims über dem Fenster deponiert hatte.
    Dann knipste er das Licht an und sah Linda vom Sofa hochfahren, das Haar vom Schlafen zerzaust, die Augen erschrocken gegen die plötzliche Helligkeit zusammengekniffen.
    »Tut mir Leid«, sagte er, obwohl er kein bisschen Reue fühlte. Stattdessen war er von maßloser, schon beinahe lächerlicher Erleichterung und unbändiger Freude erfüllt. Sie war gar nicht weg! Mit zwei Schritten war er beim Sofa und ging neben ihr in die Hocke, bis er ihr direkt in die Augen sehen konnte. »Ich dachte nicht, dass du hier bist«, sagte er leise.
    »Ich konnte nicht in dem Haus bleiben, wo du und Gunilla...«
    »Ich auch nicht«, unterbrach er sie.
    Mit dem nächsten Atemzug presste er seinen Mund auf ihre Lippen und legte die Arme um ihren Körper, um sie näher an sich heranzuziehen. Ihre Hände glitten sanft über seine Wangen, während sie sich begierig seinem Kuss entgegenwölbte.
    Nach einer Weile hob er schwer atmend den Kopf. »Lass uns weggehen. Nur wir beide. Wir lassen alles einfach hinter uns!«
    »Auf keinen Fall«, sagte sie sofort. »Das mache ich nicht noch einmal. Manche Dinge muss man klären. Und wenn nötig, muss man kämpfen.«
    Er runzelte die Stirn. »Und was ist mit Nils?«
    Ein entschlossener Ausdruck trat auf ihr Gesicht. »Ich werde es ihm sagen. Sobald es Papa besser geht, fahre ich nach Göteborg und rede mit ihm.«
    Er suchte ihren Blick und fand in ihren Augen endlich das, was er die ganze Zeit so herbeigesehnt hatte: das Versprechen einer gemeinsamen Zukunft. Als er sie diesmal in die Arme nahm, gab es keine Unsicherheiten, keine Fragen, kein Zögern. Nur das unumstößliche Wissen, dass alles gut werden würde.

    *

    Diesmal war es kein Geräusch, von dem sie wach wurde, sondern das Sonnenlicht, das in strahlenden Bahnen in den Raum flutete und sie um ein Haar zum Niesen gebracht hätte. Verschlafen kämpfte sie sich zwischen den Kissen hervor und schaute direkt in sein Gesicht. Sein Mund stand leicht offen, und seine Wimpern flatterten, als hätte er die Bewegung neben sich unbewusst wahrgenommen. Sein Atem veränderte sich ein wenig und wurde schneller, um sich kurz darauf zu beruhigen, bis er wieder in langsamen, tiefen Zügen kam.
    Linda betrachte die klaren Linien seines Gesichts, das viel jünger wirkte, wenn es, so wie jetzt, im Schlaf entspannt war. Sie hätte eine Ewigkeit einfach so da liegen und ihn anschauen mögen, in dem Bewusstsein, dass es von nun an jeden Tag so sein würde, für den Rest ihres Lebens.
    Doch zuerst

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