Sehnsuchtsland
die Braut…« Geziert drehte sie sich unter seinem erhobenen Arm durch wie eine Ballerina, doch er hatte sie bereits losgelassen, um sein Jackett abzustreifen.
»Ich muss mich noch umziehen, eigentlich bin ich nur auf einen Sprung hier, weil ich noch zu einer Besprechung mit dem Staatsanwalt muss.« Er legte sein Sakko über den Stuhl vor seinem Schreibtisch, dann löste er seine Krawatte. »Ich habe übrigens noch einmal über unsere Hochzeitsreise nachgedacht. Willst du immer noch auf die Malediven? Ich könnte mich drei Wochen freimachen!« Er lächelte Linda Beifall heischend an.
Sie blieb stehen, wo sie war. Von einem plötzlichen Frösteln erfüllt, schlang sie beide Arme um sich. »Ich weiß nicht...« Sie stockte, und ihre Stimme verhaspelte sich. »Ich weiß auf einmal überhaupt nicht mehr, ob das alles richtig ist!«
Er war ins Schlafzimmer gegangen, um sein Hemd auszuziehen. Die Hände an der Knopfleiste, drehte er sich zu ihr um und schaute sie halb verwundert, halb belustigt durch die offene Tür an. »Hallo! Was ist das denn? Bekommst du etwa Torschlusspanik?«
Linda schluckte. »Ich frage mich nur, ob das nicht alles viel zu schnell geht. Wir kennen uns doch noch gar nicht so lange. Vielleicht sollten wir noch ein bisschen warten.«
»Worauf sollen wir denn warten?« Er wirkte verärgert. »Unsere Hochzeit ist die logische Konsequenz unserer Gefühle füreinander.« Er nahm einen Pulli aus dem Schrank und zog ihn über.
»Logische Konsequenz«, wiederholte Linda beklommen. »Wie das klingt!« Als er aus dem Schlafzimmer zurück in den Wohnraum kam, folgte sie ihm, die Arme immer noch um den Körper geschlungen. »Ich weiß nicht, ob das reicht.«
»Natürlich reicht es«, sagte er selbstbewusst. Er ging hinter die Küchentheke und goss sich ein Glas Wasser ein. »Jetzt hör endlich auf zu grübeln und freu dich lieber!«
Sie straffte sich. Was tat sie eigentlich hier? Wem wollte sie denn noch länger etwas vormachen? Sich selbst vielleicht? Nein, sie musste endlich damit aufhören, schon um Nils’ willen. Er hatte das nicht verdient. Wie konnte sie nur auf die Idee kommen, ihm das zuzumuten? Eine Frau zu heiraten, die sich Tag und Nacht nach einem anderen Mann verzehrte! Sie würden alle beide daran kaputtgehen, so einfach war das.
»Es geht nicht«, sagte sie leise. »Ich kann dich nicht heiraten, Nils.«
Er drehte sich zu ihr um, Erstaunen im Blick. »Ach, hör doch auf, Linda! Das ist nicht dein Ernst!«
»Doch«, sagte sie bestimmt. »Es ist mir sehr ernst. Ich würde dich nur unglücklich machen. Und mich auch.«
Er stellte mit einem Ruck sein Wasserglas auf der Anrichte ab. »Bist du verrückt geworden?«, fuhr er sie an. »Linda, es ist alles bis ins Kleinste geplant! Wir können die Hochzeit nicht mehr absagen!«
Sie hob den Kopf, entschlossen, es zu Ende zu bringen. »Ich liebe dich nicht.«
Nils zuckte wie unter einem Schlag zusammen. Er schluckte krampfhaft und suchte nach Worten, und schließlich stellte er stockend die Frage, die Linda erwartet und befürchtet hatte.
»Es... es gibt einen anderen, oder?«
»Ja«, sagte sie tonlos. Dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, nicht wirklich. Das heißt, nicht für mich. Es ist nur so...« Sie stockte und versuchte, ihre Fassung wiederzugewinnen, um es ihm erklären zu können. »Ich würde dich nur heiraten, weil ich ihn nicht bekommen kann. Und das kann ich nicht machen.« Sie wandte sich ihm voll zu und schaute ihn geradeheraus an. Es zerriss ihr das Herz, sein schockiertes, verletztes Gesicht zu sehen, doch dem wollte und konnte sie nicht ausweichen. Sie erlebte hier die Konsequenzen ihres eigenen Fehlverhaltens, und wenn sie überhaupt irgendetwas tun konnte, um es zu büßen, dann nur durch ihre Bereitschaft, sich der Reaktion des Menschen, dem sie dies antat, kompromisslos zu stellen.
»Ich verstehe dich nicht«, sagte er hilflos. »Es ist doch alles in Ordnung zwischen uns. Wir lieben uns... Wir sind gern zusammen. Wir haben tolle Zukunftspläne...« Er brach ab.
»Nein, Nils.« Linda holte zitternd Luft. Tränen strömten über ihr Gesicht, und sie hätte gern weggeschaut, doch sie tat es nicht. »Ich würde immer nur an Henrik denken. Ich werde dich nicht heiraten.«
Er senkte den Kopf und blieb mit hängenden Schultern vor ihr stehen. Nach einigen Augenblicken wandte er sich ab und verließ schweigend die Wohnung.
*
Sie packte nur ein paar Sachen, den Rest würde sie später abholen. Der Makler hatte gesagt,
Weitere Kostenlose Bücher